Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit
Generationen der Forschung und Beobachtung – unbrauchbar.« Er erhob sich und trat hinter seinen Schreibtisch, ohne Alissas Zorn zu bemerken. Er holte ein großes Buch von einem Stapel, knallte es freudlos vor sich auf den Schreibtisch und verscheuchte die Motten vom Licht. Stehend blätterte er darin herum. »Zu Asche verbrannt. Jetzt kommt es gar nicht mehr in Frage, die Stryska-Linie einen Ersatz hervorbringen zu lassen. Das wird ja immer schlimmer.«
»Ren hatte recht«, bemerkte sie scharf. »Für Euch sind wir nichts als Zuchtstuten und Hengste!«
»Zuchtstuten?« Redal-Stan riss den Kopf hoch und zog die Brauen zusammen. »Hast du irgendeine Ahnung, wie viel Zeit und Mühe es kostet, das Profil einer einzigen Abstammungslinie zu erstellen? Man muss generationenweit zurückgehen, um diese verfluchten rezessiven Anlagen zu entdecken, und dann kann man immer noch nicht sicher sein, ob sie in den Nachkommen vorhanden sind. Dann«, er knallte das Buch zu, »hat man das Vergnügen, sich um das herumdrücken zu müssen, was irgendein sturer Bewahrer unbedingt tun will. Man warnt und mahnt, aber hören die Bewahrer einem zu? Nei-i-in. Und dann schießen überall die Shaduf aus dem Boden!«
Bestie trat in Alissas Geist ganz nach vorn und verdrängte sie in ihrer Empörung. »Ihr sagt ihnen, mit wem sie sich vereinen und ob sie Nachkommen empfangen dürfen?«, rief sie durch Alissas Mund. Dann hielt Bestie erschrocken inne, entschuldigte sich bei Alissa und verbarg sich wieder.
Redal-Stan ging zum nächsten Stapel Bücher und riss eines heraus. »Wenn es nur so einfach wäre, Bestie.« Den Blick auf die gelblichen Seiten geheftet, kehrte er an seinen Schreibtisch zurück. »Asche auf diese Motten«, brummte er. Er fing sie mit einem Feld ein und schleuderte sie über die Balkonbrüstung in die Nacht. »Wir haben durchaus unsere Skrupel. Bewahrer können Kinder zeugen, mit wem sie wollen, aber versuch du mal, ein genaues Profil von auch nur der Hälfte der gefährdeten Bevölkerung zu führen.«
»Gefährdet?«, flüsterte Alissa, deren Empörung ins Wanken geriet.
»Ich gebe zu, dass wir gelegentlich von gewissen Verbindungen abraten oder sie verhindern.« Redal-Stan setzte sich und blickte von seinem Buch auf. »Du hast das falsch verstanden, Alissa, zumindest das meiste davon. Wir versuchen nicht, Shaduf zu erzeugen. Wir versuchen, ihr Auftreten so weit wie möglich in Grenzen zu halten.«
»Dann gebt Ihr also zu, dass Ihr die Bevölkerung wie Zuchtvieh manipuliert!«, rief sie hitzig.
Redal-Stan warf ihr unter gerunzelten Brauen einen trockenen Blick zu. »Lass mich das erklären. Offensichtlich hat Talo-Toecan das versäumt, und ich kann nicht zulassen, dass du mit gefährlichen Informationen herumläufst, solange du nur die Hälfte davon verstanden hast. Ein wenig Wissen in deinen Händen stellt eine Bedrohung für die menschliche Zivilisation dar.« Er ließ verärgert den Blick über seinen Tisch schweifen. »Wo ist meine Schreibunterlage?«, grummelte er und schob dann kurzerhand mit einem Arm alles bis auf sein Licht ans andere Ende. Er blickte auf und bemerkte, dass sie sich nicht gerührt hatte. »Ich bin nicht zornig wegen Shaduf Sati. Niemand hat dir gesagt, dass du das nicht tun darfst. Dabei wollen wir es belassen.«
Immer noch saß Alissa kochend vor ihm. Redal-Stan hatte eine Feder und ein Tintenfässchen aus dem Durcheinander herausgepickt und kritzelte etwas auf ein Blatt Papier. Dann hob er den Blick, und seine braunen Augen schauten in ihre. »Du möchtest den Unterschied zwischen einem Bewahrer und einem Meister erfahren, nicht wahr?«
Obwohl sie noch wütend war, zog sie Mavs Stuhl näher heran.
»Also.« Er blickte auf. »Du bist auf einem Bauernhof aufgewachsen. Bist du mit der praktischen Seite der Viehzucht vertraut?« Alissa nickte, und er führte die Fingerspitzen zusammen. »Eine weiße Henne und ein roter Hahn bringen dir rote und weiße Küken, keine rosafarbenen, richtig?«
»Ja.« Alissa richtete sich auf. »Aber es gibt da Unterschiede. Manchmal sind die Küken alle rot, und wenn doch weiße herauskommen, dann ist es etwa die Hälfte.«
»Die Hälfte, hm? Sehr gut beobachtet. Was ist mit zwei roten Elterntieren? Was bekommst du dann?«
Alissa zuckte mit den Schultern. »Für gewöhnlich lauter rote Küken. Manchmal ist aber auch ein Viertel weiß.«
»Ein Viertel.« Er brummte zufrieden und beugte sich vor. »Willst du wissen, warum?«
Sie hob ergeben die Schultern
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