Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit

Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit

Titel: Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Cook
Vom Netzwerk:
überhaupt zu blühen.« Er zögerte und warf einen Blick in die Schatten unter den Bäumen. »Alissa«, sagte er, und sein Tonfall wurde förmlich. »Ich muss Lodesh etwas fragen – es geht um einen Pilz, der mir in letzter Zeit Ärger macht. Hättet Ihr etwas dagegen, wenn ich ihn Euch einen Augenblick entführe?« Seine Augenbrauen hoben sich und sagten deutlicher als Worte, dass es kein Pilz war, worüber er mit Lodesh sprechen wollte, und sie nickte.
    »Sehr freundlich von Euch«, sagte Reeve.
    Lodesh öffnete den Mund, um zu protestieren, und Reeve versetzte ihm einen Stoß in die Rippen. Mit einem leisen Brummen schloss Lodesh hastig den Mund und zog die Schultern hoch. Der untersetzte Mann führte seinen Sohn, groß, gut aussehend und manchmal ein wenig schwer von Begriff, außer Hörweite und erklärte dabei laut, der Pilz befinde sich »dort drüben, hinter dem Baum da« .
    Alissa kicherte über das Spektakel, dass Lodesh von jemandem herumgeschubst wurde, und wandte sich dem Hain zu. Die Bäume kamen ihr nicht kleiner vor, als sie sie in Erinnerung hatte. In der Mitte des Hains befand sich eine kreisförmige Lichtung, umgeben von kleinen, moosbewachsenen Erdhügeln, die sich wie Wellen in immer weiteren und höheren Kreisen ausbreiteten. Als sie näher kam, stellte sie fest, dass dies eine Art Theater sein musste: Der offene Kreis war die Bühne, und die Erhebungen waren Sitzplätze für das Publikum. Abgesehen von diesem Theater sah der Hain genauso aus, wie sie ihn zuletzt gesehen hatte.
    »Bis auf …« Alissa raffte die Röcke und trat vor den größten Baum. »Dich«, sagte sie, deutete vorwurfsvoll mit dem Finger auf ihn und entdeckte eine weitere Veränderung. »Und dich.« Stirnrunzelnd betrachtete sie einen zweiten Baum. »Und dich, glaube ich«, brummte sie einem dritten zu. Diese drei waren umgestürzt, ehe sie den Hain zum ersten Mal erblickt hatte.
    »Was denkst du dir nur dabei, höher zu wachsen, als deine Wurzeln es erlauben?«, schalt Alissa und strich mit einer Hand über die Rinde des größten Baums. »Reeve widmet dir so viel Zeit, und du dankst es ihm, indem du umfällst. Schäm dich!« Sie ging zu dem zweiten hinüber, der ein Stück weiter weg stand. Ein wenig atemlos versetzte sie ihm einen scharfen Klaps.
    »Höher hinauszuwollen als alle anderen ist ja schön und gut«, sagte sie und blickte zu den Bäumen auf, die ihr gewiss nicht zuhörten, »aber du darfst dabei nicht vergessen, dass es deine Wurzeln sind, die dich aufrecht halten.« Nun war der dritte an der Reihe, und sie ging darum herum und wunderte sich, wie ein so kräftig aussehender Baum überhaupt umfallen konnte. »Was du der Welt nicht zeigst«, sagte sie sanft zu ihm, »ist das, was dir erst gestattet, solch spektakuläre Größe zu erreichen. Vernachlässige niemals dein Wurzelwerk. Nähre es besser als das hübsche Gesicht aus Blättern und Ästen, das du allen zeigst. Denn selbst wenn diese zerstört werden, kannst du aus deinen unberührten, ungesehenen, von anderen nie beachteten Wurzeln wiedergeboren werden.«
    Alissa ließ die Hand von der glatten grauen Rinde sinken und fragte sich, ob sie nicht lieber auf ihre eigenen Worte hören sollte, statt sie hilflosen Bäumen zu predigen. »Wachst«, seufzte sie und blickte auf ihre Stiefelspitzen hinab. »Und blüht vielleicht auch? Nur ein bisschen? Lodesh würde sich so sehr darüber freuen.«
    Sie wusste nicht recht, warum sie auf einmal so traurig war, und wandte sich ab. Der böige Wind aus dem Westen frischte auf, ließ wieder nach, fegte dann unter die Bäume und löste ein vages, ungutes Gefühl in ihr aus.

 
    – 13 –
     

    R eeve zog Lodesh fast durch den halben Hain mit sich, bis Lodesh sich weigerte weiterzugehen und die beiden stehen blieben. »Du hast mich nicht von Alissa weggelockt, um meine Meinung zu einem Pilz einzuholen«, sagte er vorwurfsvoll.
    Der Mann nahm wieder seinen Ellbogen. »Stell dich nicht so dumm an, Junge«, brummte er mit finsterer Miene.
    Lodesh entriss ihm seinen Arm. »Warum also?«
    Einen Moment lang sah Reeve ihm direkt ins Gesicht. Ein Hauch von Verzweiflung lag in diesem Blick, doch als Lodesh ihn bemerkte, schlug Reeve die Augen nieder. Mit gebeugten Schultern ging Reeve allein weiter. »Dein Vater hat mich heute Morgen aufgesucht«, sagte er über die Schulter.
    »Mein Vater!« Lodesh warf einen Blick hinter sich, um sich zu vergewissern, dass Alissa nichts gehört hatte, und rannte Reeve dann nach. »Was …« Er

Weitere Kostenlose Bücher