Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit
möglich war, einen Pakt mit ihr zu schließen.«
»Mit einer Bestie?« Er warf einen verstohlenen Blick auf sie und schaute ängstlich wieder weg. »Fürchtest du denn nicht, dass sie eines Tages die Kontrolle übernehmen wird?«
Alissa lächelte schwach. Er verstand es immer noch nicht. »Bestie ist vertrauenswürdiger als einige Meister oder Bewahrer, die ich dir nennen könnte. Sie gibt kein Versprechen ab mit der Absicht, ein Schlupfloch darin zu finden. Sie kann nicht lügen. Sie weiß gar nicht, wie das geht.«
»Aber, Alissa«, protestierte er, und seine Angst wich nun offensichtlich dem Wunsch, sie zu verstehen. »Das kann das Risiko nicht wert sein.«
Ihr Blick wurde leer, und sie spürte, wie sich ihr Atem verlangsamte. Die Erinnerung an den Wind erfüllte sie mit einer schmerzlichen Sehnsucht. Freiheit. Alles in Reichweite ihrer Schwingen – alles ihrs. »Ich erinnere mich daran, wie es ist, frei zu sein«, flüsterte sie und schloss die Augen, damit sie sich nicht mit Tränen füllten. »So frei, wie man nur als natürliches Wesen sein kann. Und du?«
Connen-Neute zappelte unruhig herum. »Ich bin frei«, sagte er.
»Ach ja?«, fragte sie, denn sie hatte seinen Zweifel gehört, und er schwieg.
»Redal-Stan wird dich zwingen, sie zu zerstören«, sagte er schließlich.
»Dann sollte er wohl besser nichts von ihr erfahren.«
Er hob den Kopf. »Ich werde nichts verraten«, sagte er, und sein Blick wirkte ungewöhnlich entschlossen.
»Danke.« Erleichtert stieß sie den Atem aus. »Dann hast du also keine Angst mehr vor mir?« Sie streckte den Arm aus und berührte seine Hand.
Connen-Neute erstarrte, doch dann entspannte er sich wieder, und sie wusste, dass sie gewonnen hatte. »Nein«, erklärte er mutig, verzog aber gleich darauf das Gesicht. »Na ja, ein bisschen.«
Alissa lachte. »Solange du nur nicht bei meinem Anblick vor Angst schlotterst.«
»Das habe ich nie getan«, protestierte er laut.
»Oh doch!«, erwiderte sie fröhlich. »Aber jetzt müssen wir uns überlegen, was wir Redal-Stan erzählen.« Connen-Neute wand sich vor Verlegenheit, und Angst durchfuhr sie. Es war offensichtlich, dass Redal-Stan ihn fest im Griff hatte. Connen-Neute könnte sie doch noch verraten. »Ich für meinen Teil«, sagte sie gedehnt, »werde ihn ignorieren. Ich bin kein Kind. Meine persönlichen Angelegenheiten gehen ihn nichts an.«
Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Connen-Neute entschlossen die Schultern straffte. Ein lautes »Hrmpf« von der offenen Tür ließ sie beide zusammenzucken. Alissa fuhr herum und sah Redal-Stan, die Hände in die Hüften gestemmt, der sie mit ernstem Blick musterte. Es war offensichtlich, dass er gerade erst angekommen war, denn sonst wäre er wesentlich zorniger gewesen.
»Haben wir uns wieder vertragen, Kinder?«, fragte er und drehte sich dann um, als sich auf dem Flur Schritte näherten.
Ren kam hinter ihm schlitternd zum Stehen. »Redal-Stan!«, rief er aufgeregt, zupfte seinen viel zu großen Kittel zurecht und nickte Connen-Neute und Alissa hastig zu. »Die Stadt. Es heißt, die Euthymienbäume werden blühen!«
»Ich weiß«, brummte er und wirbelte auf dem Absatz herum, um leise den Flur entlangzustapfen. »Mavoureen hat es mir gesagt.« Ren zögerte unschlüssig, zuckte dann entschuldigend mit den Schultern und eilte ihm nach.
»Woher wusstest du das?«, fragte Alissa Bestie.
»Du hast die Bäume darum gebeten«, erwiderte Bestie und vermittelte Alissa den Eindruck eines selbstzufriedenen Lächelns, ehe sie sich wieder zum Schlafen zurückzog.
– 19 –
S trell sank in Alissas abgewetztem Sessel vor ihrem Kamin zusammen. Heiß und verschwitzt strich er mit dem Daumen über den Stoff, der so verblasst war, dass man das Efeumuster kaum noch erahnen konnte. Er hatte die vergangenen zwei Tage hier in Alissas Zimmer verbracht und sich in die Feinheiten des Geister-Erspürens eingearbeitet, bis sein Kopf sich angefühlt hatte wie eine schlecht getrocknete Schüssel im Brennofen. Doch inzwischen merkte er es, wenn sie morgens und abends ihr Zimmer verließ, um im Garten spazieren zu gehen.
Er stieß seufzend den Atem aus und wusste, dass Talo-Toecan und Lodesh ihn für verrückt halten mussten, wenn er kreuz und quer durch die Feste lief und dem Flüstern von Alissas Gegenwart folgte. Strell weigerte sich zu glauben, dass er sich ihre Stimme im Turm nur eingebildet hatte, und er würde alles tun, um sie noch einmal zu hören. Er lebte für die
Weitere Kostenlose Bücher