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Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit

Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit

Titel: Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Cook
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Hoffnung, dass sie ihn nächstes Mal ebenfalls würde hören können.
    Strell zupfte sich den Kittel vom Nacken, um sich ein wenig abzukühlen, und ließ den Blick durch ihr schön eingerichtetes Zimmer schweifen. Er blieb an ihren Schuhen hängen, die vor ihrem Bett ordentlich nebeneinander auf ihre Rückkehr warteten, und spannte sich an, als ihn der Schmerz durchfuhr. Wieder einmal zurückgelassen.
    Der Vorhang am östlichsten Fenster war gegen die Sonne zugezogen. Er flatterte in der Brise. Der Wind brachte das Wetter von der Küste. Ungewöhnlich zu dieser Jahreszeit. Die Sommer seiner Jugend waren unerträglich heiß gewesen, aber diese stickige, schwere Luft zehrte an ihm. Dabei war es erst Vormittag.
    Der Vorhang wurde wieder nach draußen gezogen, und Strell holte seine Flöte, um sich neben Kralle auf das schattige südliche Fensterbrett zu setzen in der Hoffnung, etwas von dem nächsten Windstoß abzubekommen. In den Kellern war es wesentlich kühler, aber er wollte Alissa nicht verlassen. Der nervtötende Gesang einer Zikade stieg zu ihm herauf und erstarb mit einem scharfen Gurgeln. In der Ferne antwortete eine zweite. Strells Kopf sank an die Fensterlaibung, und er schloss die Augen. Langsam brachte er seinen Geist zur Ruhe und streckte ihn nach ihren Gedanken aus. Ein trauriges Lächeln stahl sich auf sein Gesicht, als er sie vor dem Kamin fand. Sein Kopf pochte schmerzhaft. Da er wusste, dass dieser Schmerz von der geistigen Wahrnehmung kam, ließ er die Verbindung zu ihr wieder fallen.
    Die Vorhänge blähten sich, und Strell hob seine Flöte und begann traurig und lustlos »Taykells Abenteuer« zu spielen. Diese Flöte war die einzige, die er nun wirklich gut spielen konnte, denn er hatte sie eigens angefertigt und das letzte Loch so platziert, dass sein verstümmelter Finger es erreichen konnte. Er blickte zu Alissas Kaminsims, wo seine erste Flöte aus Euthymienholz lag. Obwohl er sie letztes Jahr in einem Anfall frustrierter Wut zerbrochen hatte, wollte Alissa ihm nicht erlauben, dieses Familienerbstück zu verbrennen. Also lag es dort.
    Seine Melodie trieb über das Dach der großen Halle hinaus und schien sich in den dunstigen, stickigen Himmel zu schieben, ohne dabei auch nur einen Hauch von Luft zu bewegen. Kralle döste, leistete ihm Gesellschaft. Sie schüttelte sich mit raschelnden Federn wach und starrte an einen Punkt am Himmel. Beinahe zu schnell, um wahr zu sein, wuchs der Punkt zu beängstigender Größe heran und nahm eine vertraute Form an. Es war ein Raku, größer als Alissa, aber kleiner als Talo-Toecan. Strell erkannte die wilde Bestie, die ihn in letzter Zeit zu verfolgen schien.
    Misstrauisch und nachdenklich beobachtete Strell, wie der Raku mit einem leisen Scharren von Krallen auf Stein auf dem Dach der großen Halle landete. Vorsichtig ließ Strell die Flöte sinken und blickte Kralle an. Sie war ebenfalls wachsam, aber nicht verängstigt. »Wieder da?«, flüsterte er dem Raku zu, und die Bestie breitete die Schwingen aus, als drohe sie ihm damit, gleich wieder wegzufliegen.
    »Du hast recht. Ich würde sowieso lieber spielen, als mich zu unterhalten«, sagte Strell. Er begann von vorn und versuchte, das ungezähmte Stück Bergwelt mit einem von Alissas Lieblingsliedern näher heranzulocken. Mit ungeschickten, zögerlichen Hopsern gab der Raku seiner Neugier nach und flatterte durch die drückend schwüle Luft auf das Dach über Alissas Zimmer. Kralle duckte sich, und Strell verwackelte einige Noten der einfachen, entspannenden Melodie. Der Raku war direkt über ihnen! So nah hatte er sich noch nie herangewagt. Strell wusste nicht, ob er sich freuen oder fürchten sollte.
    So plötzlich und unerwartet, als sei eine Seifenblase geplatzt, wurde Alissas Gegenwart so greifbar, dass es schmerzte. Strell schnappte nach Luft und starrte mit offenem Mund ins Nichts. »Alissa«, flüsterte er. Instinktiv streckte er gedankliche Fühler nach ihr aus und duckte sich unter den plötzlichen Kopfschmerzen zusammen. Diesmal, hoffte er gequält, diesmal würde sie ihn hören.
    Doch etwas stimmte nicht. Sie war schläfrig und benommen, wie damals, als sie sich die Pfade so schlimm verbrannt hatte, dass sie fast gestorben wäre. Er erstarrte, als ihm klar wurde, dass sie wieder bei der Herrin des Todes weilte.
    »Alissa! Nein!«, rief er aus und erschreckte Kralle und zweifellos auch den Raku über ihnen. Erleichtert sank er in sich zusammen, als er spürte, wie das graue Leichentuch, das

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