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Alissa 4 - Die letzte Wahrheit

Alissa 4 - Die letzte Wahrheit

Titel: Alissa 4 - Die letzte Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Cook
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seinem Stuhl zurück. Er fuhr sich mit der Hand über das stoppelige weiße Haar und starrte finster durch den Speisesaal, dessen Vorhänge zugezogen waren. Strell und Lodesh hatten sich in verschiedene Ecken verkrochen und versuchten, möglichst nicht im Weg zu sein. Connen-Neute saß seitwärts auf einem der harten Stühle und blickte missmutig drein, weil Alissa einen neuen Bann lernen durfte und er nicht.
    Das Feuer brannte lichterloh, und im Saal war es stickig. Redal-Stans alter Sessel vor dem Kamin schien sie schützend zu umfangen, und sie zog die Beine unter sich und drückte sich noch weiter in die Kissen zurück. Das dick gepolsterte Ungetüm war der Inbegriff der Gemütlichkeit, und Alissa fühlte sich dem brummigen, väterlichen Meister aus der fernen Vergangenheit der Feste stets näher, wenn sie darin saß.
    Nervös strich sie mit dem Daumen über das verblasste Muster und wünschte, er wäre hier. Er würde sie verstehen, und wenn nicht, dann würde sie sich bei ihm zumindest trauen, ihm zu sagen, warum sie sich davor fürchtete, sich in Trance sinken zu lassen. Der alte Meister hatte ihr geholfen, als sie plötzlich in der Vergangenheit gelandet war. In schockiertem Erstaunen hatte er einfach akzeptiert, wer sie war und woher sie kam, und versucht, ihr zu helfen, als sich herausstellte, dass sie durch diesen Zeitsprung allmählich den Verstand verlieren würde. Sie hatte ihn zwar nur kurz gekannt, vermisste ihn aber dennoch. Wenn sie tief einatmete, glaubte sie sogar, Bücherleim riechen zu können.
    Kralle zwitscherte ihr von der Armlehne des Sessels beruhigend zu, und Alissa zwang sich seufzend, in die Gegenwart zurückzukehren. Ihre Anspannung war sogleich wieder da, als sie Nutzlos’ Blick begegnete. »Es spielt keine Rolle, dass du nicht müde bist«, sagte er mit einer Mischung aus Verständnis und Ungeduld. »Du sollst ja gar nicht schlafen. Es geht um eine Trance, einen Zustand tiefer Konzentration. Du hast ihn schon einmal erlebt –«
    »Nicht absichtlich«, unterbrach sie ihn, was unter diesen Umständen alles andere als vernünftig war. Auf sein Stirnrunzeln hin schlug sie die Augen nieder und flüsterte: »Entschuldigung.«
    Ungebeten kehrten ihre Gedanken zu der Trance zurück, in die Bailic sie vor drei Wintern gelullt hatte. Der wahnsinnige Bewahrer war viel mächtiger gewesen als sie, geschickt und erfahren in jenen Fähigkeiten, die Alissa gerade erst erlernte. Sie war ihm hilflos ausgeliefert gewesen; allein mit seiner Stimme hatte er allerdings unwissentlich auch den Weg für Nutzlos freigemacht, der in Alissas Geist eingedrungen war und durch sie gesprochen hatte. Das hatte ihr letztendlich das Leben gerettet, doch wenn sie nun darauf zurückblickte, machte ihr das Ganze Angst.
    Sie legte eine Hand auf ihren Bauch. Zu tun, was Nutzlos verlangte, könnte bedeuten, dass ihr plötzlich der Boden unter den Füßen weggezogen würde. Schlimme Dinge geschahen, wenn sie ihren freien Willen verlor. Sie war verwildert, als ihr Buch der Ersten Wahrheit die Kontrolle über ihren Geist übernommen und sie die Gestaltwandlung gelehrt hatte. Als Bailic sie eingelullt hatte, hatte sie sich den Geist so schlimm verbrannt, dass sie beinahe daran gestorben wäre. Bestie hatte einmal unwissentlich die Kontrolle übernommen, als Alissa sich in einem zornigen Augenblick nicht mehr im Griff gehabt hatte. Dass sie sich nun erneut freiwillig in die Hände eines anderen begeben, ihren eigenen Willen aufgeben und sich nach Belieben von jemandem manipulieren lassen sollte, das war zu viel verlangt.
    Nutzlos rückte seine Schärpe zurecht; offenbar erkannte er nicht, wo die Schwierigkeit lag. »Wie ich schon sagte, du hast das bereits getan. Du kannst es jetzt wieder tun. Ich werde den Bann für dich aufbauen, wenn es das ist, was dir Sorgen macht.«
    »Nein!«, rief sie aus und wollte den Grund für ihr Zaudern noch immer nicht eingestehen. »Ich mache das selbst.« Sie zögerte. »Vielleicht sollten wir lieber abwarten und es erst am Abend versuchen. Die Sonne geht bald unter.«
    »Das ist es ja gerade!«, platzte Nutzlos heraus. Er atmete tief durch und legte die Hände in den Schoß. »Ich begreife auch nicht alle Einzelheiten«, erklärte er ruhig. »Aber du hast gesagt, wenn du von Silla träumst, dann wäre der Strand aus weißem Sand, nicht aus Kies. Du träumst nur während des Tages von ihr. Silla ist eine Meisterin, offenbar ein Kind jener, die vor zwanzig Jahren die Feste verlassen haben. Sie

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