Alissa 4 - Die letzte Wahrheit
Heilungsbann auf mich? Mein Kopf tut weh.«
Connen-Neutes langes Gesicht wirkte beängstigend bekümmert. »Alissa. Versuch nicht, dich zu befreien. Und um des Navigators willen, sprich mit niemandem außer mir. Sie beobachten dich.«
»Ich kann mich nicht selbst befreien. Ich kann mich nicht einmal aufrichten. Tu doch etwas. Bitte?« Sie schloss die Augen, denn sie ertrug das Licht nicht mehr. Wie konnte Licht so wehtun?
Sie hörte Connen-Neute seufzen. »Na schön. Aber mach keine Dummheiten.«
Alissa wartete mit dem Gefühl, dass sie jeden Augenblick sterben könnte. Wärme erfüllte sie, als sein Bann sanft über sie hinwegglitt und einen Großteil des Schmerzes und der Benommenheit mit sich nahm. Eine Hitzewoge breitete sich in ihr aus, und sie genoss sie, während ihre Anspannung nachließ. Die Kopfschmerzen verblassten zu einer schwachen Erinnerung, die flüsternd versprach, eines Tages zurückzukehren. Ihr Schwanz fühlte sich beinahe normal an, aber ihre Hand tat kein bisschen weniger weh. Ein seliges Seufzen entfuhr ihr. Sie konnte die Brandung ans Ufer donnern hören und die Schreie der Möwen. Langsam schlug sie die Augen auf.
»Ich danke dir«, sagte sie und spürte, wie sich ihre verspannten Muskeln lockerten. Ihre Stirn juckte, sie warf den Kopf hoch und erinnerte sich plötzlich an die Kette. »Warum bin ich angekettet?«
Connen-Neutes Gesicht war blass und verkniffen. »Alissa, denk daran. Du wirst nicht versuchen, dich zu befreien, und mit niemandem außer mir stumm kommunizieren. Du hast es versprochen.«
Wut flammte in ihr auf. »Das habe ich nicht!«, rief sie und kämpfte darum, sich aufzurichten, was ihr schwerfiel, weil sie die linke Hand an die Brust gedrückt hielt. Sie stach schmerzhaft, bis hinauf in ihren Ellbogen. Sie breitete halb die Schwingen aus, um das Gleichgewicht zu halten, und ihr Kopf begann erneut zu hämmern. Alissa funkelte Connen-Neute an, als sei das seine Schuld. Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit rasch dem Nichts zu. Sie würde sich auf der Stelle verwandeln, um erst einmal diese Eisenschelle um ihr Bein loszuwerden.
»Nein!« Connen-Neute stand auf und starrte sie verzweifelt an. »Ich habe ihnen geschworen, dass du tun würdest, was ich dir sage.«
»Das ist dein Problem, nicht meines«, erwiderte sie wütend.
Er runzelte bekümmert die Stirn und umfasste ihren Kiefer mit beiden Händen. »Nein, Alissa«, sagte er und blickte ihr erst in ein Auge, dann in das andere. »Ich habe mich für dich verbürgt. Wenn du nicht genau das tust, was ich sage, werden sie uns beiden die Pfade verbrennen, bis wir nichts mehr sind als Gemeine. Sofort. Hier, wo wir jetzt stehen.«
Ihr stockte der Atem. Sie las die Wahrheit in seinem verängstigten Blick und leckte sich mit der Zunge über die Schnauze. Langsam nickte sie. Er ließ ihren Kopf los, und sie folgte seinem Blick zu Sillas Klippe. Drei menschliche Gestalten standen dort oben. Bestie ließ ein tiefes, kehliges Knurren der Genugtuung durch ihren gemeinsamen Geist hallen, und Alissa wusste, dass eine dieser Gestalten Keribdis war.
»Also«, sagte Connen-Neute, stieß erleichtert den Atem aus und trat einen Schritt zurück. »Keine Verwandlung. Keine Befreiungsversuche. Und kein Kontakt zu irgendjemandes Gedanken.«
Verängstigt fragte sie: »Sind sie wütend …« Sie zögerte. »Ich habe Keribdis verletzt.« Panik überfiel Alissa. Was würde Nutzlos ihr antun, weil sie seiner Frau wehgetan hatte?
Connen-Neute blickte an Kralle vorbei auf die Wellen und befingerte den Saum seiner roten Schärpe. »Du hast sie am Auge verletzt und ihr eine dauerhafte Narbe am Bein beigebracht. Das könnte man dir noch verzeihen, weil sie dich zum Kampf gezwungen hat. Aber deshalb bist du nicht gefesselt.«
Alissa wurde übel. »Sie sind wütend, weil ich Strell geheiratet habe?«
»Das wissen sie noch gar nicht«, sagte er.
Sie schluckte schwer. »Weswegen dann?«
Connen-Neute holte tief Luft. »Ich habe ihnen von Bestie erzählt.«
Sie starrte ihn an, und ihr ganzer Körper spannte sich. »Du hast mir versprochen, das niemals zu tun!«, heulte sie und bäumte sich auf, bis sie es schaffte, sich aufrecht hinzuhocken. Die Kette spannte sich, und ein Glied brach. Alissa kippte vornüber, und ihre Hand schmerzte so sehr, dass sie beinahe das Bewusstsein verlor, als sie auf den Sand stürzte.
»Es war ein Unfall!«, schrie Connen-Neute verzweifelt in Gedanken und fuhr zur Klippe herum, und Alissa wusste, dass er nicht mit ihr
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