Alissa 4 - Die letzte Wahrheit
kreischte sie.
Alissa kam zu sich und schnappte nach Luft. Ihr Herz hämmerte, und sie wäre beinahe aus ihrem Sessel gesprungen. Strell hielt sie an der Schulter fest, die Augen schmal vor Sorge. Nutzlos stand hinter ihm. Er strahlte vor Hoffnung, doch die schien zu Asche zu zerfallen, als er in Alissas kaltes Gesicht blickte.
Sie schluckte schwer, und ihr Herzschlag beruhigte sich allmählich. Die Wärme des Feuers fühlte sich geradezu kühl an nach dem kräftigen Sonnenschein auf Sillas Klippe. Sie sah Strell an, und er ließ sie los. »Sie glaubt … Sie hält mich für eine Einbildung«, sagte Alissa, die innerlich immer noch zitterte. »Sie glaubt, ich würde sie in den Wahnsinn treiben. Es tut mir leid, Nutzlos«, flüsterte sie. »Ich habe sie gefunden. Ich habe versucht, ihr zu erklären, dass ich kein Traum bin. Ich habe ihr von Connen-Neute erzählt –«
»Soweit die anderen wissen, ist er verwildert«, unterbrach Nutzlos sie. »Natürlich hat sie dir nicht geglaubt.« Mit grauem, gequältem Gesicht schloss er die Augen, als könnte er den Schmerz kaum ertragen.
»Und mein Versuch, sie mit Lodeshs Bechern zu überzeugen, war genauso schlimm. Es hat auch nicht geholfen, dass ich eine Transformantin bin. Ich glaube, sie weiß nicht einmal, dass es einem Menschen möglich ist, zum Meister zu werden«, fügte sie hinzu und dachte an den starren Blick, den Silla auf Alissas vergleichsweise kurze Finger gerichtet hatte.
Kralle hüpfte auf Streik Schulter und blickte Alissa auf eine seltsam intensive, gar nicht vogelgemäße Art an.
»Wir versuchen es morgen wieder«, sagte der alte Meister leise und wandte sich ab, um seine tiefe Enttäuschung zu verbergen.
Irgendwie glaubte Alissa nicht so recht, dass sie morgen mehr erreichen würde.
– 4 –
E s klappt nicht«, sagte Alissa entnervt und versuchte, sich ihre Frustration nicht anmerken zu lassen, als Nutzlos seufzte. »Wir sollten einfach hinfliegen und sie holen.« Sie saß zusammengesunken auf einem Stuhl in der Küche und schob nun ihren Teller Eintopf von sich. Strell, auf halbem Weg durch den Raum, erstarrte. Alissa verschloss die Augen vor seinem Abscheu gegen die Verschwendung von Essen und bedeutete ihm, dass er den Rest haben konnte.
Nutzlos sagte nichts, ganz in die Arbeit an einer Schüssel vertieft, die leichter zu ersetzen als zu reparieren gewesen wäre. Seine übliche aufrechte Haltung war im Lauf der vergangenen Tage zusehends in sich zusammengefallen, erschöpft von immer neuen vergeblichen Versuchen, Silla davon zu überzeugen, dass Alissa echt war. Sein faltiges Gesicht blieb ruhig, und die überlangen Finger passten vorsichtig die blau glasierte Scherbe ein.
Connen-Neute zappelte unruhig herum – er versteckte sich in einer Ecke, um genau zu sein –, und es ärgerte Alissa, dass er deshalb so nervös war, weil sie es gewagt hatte, Nutzlos’ Plan zu kritisieren.
Ein Scharren war zu hören, als Strell ihren Teller über den Tisch zog und damit zum Feuer ging. Sein von vielen Reisen abgetragenes Bündel ruhte neben der Gartentür, zusammen mit Lodeshs viel neuerem Gepäck. Alissa musterte frustriert die Bündel. Strell war bereit, an die Küste zu wandern und ein Boot zu mieten, damit sie nach Silla suchen konnten. Da Silla inzwischen glaubte, Alissa sei ein Dämon, der ihre Träume heimsuchte, würde wohl jemand übers Meer fahren und die anderen holen müssen.
Nutzlos setzte die Scherbe mit einem leisen Klicken ein. Sein Blick, der über den Tisch hinweg ihrem begegnete, war immer noch fest entschlossen. »Wir werden es morgen noch einmal versuchen«, verkündete er.
»Aber sie hat Angst vor mir«, beharrte Alissa. »Sie weckt sich jetzt jedes Mal auf, wenn ich sie gefunden habe. Seit sie Keribdis erzählt hat, was ich ihr gesagt habe, ist das arme Mädchen fest davon überzeugt, dass ich sie in die Wildheit treiben werde.« Alissa schürzte die Lippen. Silla wäre von allein nie zu dieser Überzeugung gelangt. Keribdis musste ihr das gesagt haben, und es gefiel Alissa nicht, mit Dämonen und Albträumen in einen Topf verbannt zu werden.
Nutzlos brummte unwillig. Alle blickten auf, als Lodesh in die Küche platzte. »Wo sind meine anderen Schuhe?«, murmelte der elegante Bewahrer. Er kniff die grünen Augen zusammen und wühlte in seinem Bündel. »Hat jemand mein zweites Paar Schuhe gesehen?«, fragte er. Verärgert winkte er ab und ging wieder hinaus, ehe jemand antworten konnte.
»Morgen werde ich dich in die
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