Alissa 4 - Die letzte Wahrheit
schwaches Lächeln breitete sich über Strells Gesicht. »Von mir wird sie nichts erfahren«, sagte er.
Connen-Neute konzentrierte sich und warf Lodesh, der ihn mit ironischer Miene beobachtete, einen Blick zu, ehe er vorsichtig einen Gedanken in Strells Geist gleiten ließ. Er war dank einer Lüge hierher eingeladen wurden, doch die Einladung galt. Er musste sich beherrschen, um nicht zusammenzuzucken, als er das Chaos erblickte. Es war schwer, überhaupt etwas zu erkennen, da Strell keine Quelle besaß, die seine innere Landschaft erleuchtet hätte, doch es war offensichtlich, dass die Pfade des Pfeifers völlig zusammenhanglos waren. Es war unmöglich, dass Strell eine Resonanz aufgefangen haben sollte. Vor allem, da das Ganze mit heilendem Narbengewebe bedeckt war. Bekümmert sah Connen-Neute näher hin. Der Schaden am Gewebe sah zu alt aus, als dass Strell ihn in der kurzen Zeit auf der Feste erlitten haben könnte. Woher hatte er so viel Narbengewebe? Und warum?
Connen-Neute baute einen Schlafbann auf, wie schon zuvor, und achtete darauf, so wenig Energie hineinzugeben, dass er noch nicht wirksam wurde. Strell tat nichts, er stand reglos da, als warte er darauf, dass etwas geschah. Nicht die leiseste Resonanz schimmerte in seinen Pfaden. Connen-Neute schüttelte ganz leicht den Kopf, und Lodesh schien sich zu entspannen, denn er ließ sich auf der schmalen Bank zurücksinken.
Connen-Neute fragte sich, was Strell gespürt haben mochte, wenn es nicht sein Bann gewesen war. Er bereitete einen Beruhigungsbann vor – zumindest das konnte er für den Tiefländer tun. Doch als sein Feld Strell berührte, erstarrte der hagere Mann. »Da war etwas«, sagte Strell und sah ihn aufmerksam an.
Connen-Neute erwiderte den Blick voller Staunen. Er hatte den Bann noch nicht gewirkt. »Das ist das Feld«, sagte er. »Du bist empfindsam für die Felder geworden, die Banne begrenzen. Das ist alles.«
»Ein Feld?«, fragte Strell und riss die Augen auf. »Ist das … normal?«
Connen-Neute wechselte einen zurückhaltenden Blick mit Lodesh. »Bisher war es nur sehr wenigen Gemeinen erlaubt, sich so lange in der Feste aufzuhalten wie du. Vielleicht spürst du etwas, weil du ständig mit Feldern und Bannen in Berührung kommst.«
Diese Antwort schien Strell zufriedenzustellen, und auf sein Nicken hin ließ Connen-Neute den Beruhigungsbann wirken. Sogleich sackte Strell in sich zusammen. Sein Gesicht erschlaffte, und sein Griff um den Stützpfeiler lockerte sich vom panischen Klammern zu einem sanften Abstützen. »Das müsste helfen«, sagte Connen-Neute und ignorierte Lodeshs missbilligenden Blick, während er darauf achtete, wie langsam der Pfeifer nun atmete. Er hatte auch begonnen, mit den Bewegungen des Schiffes zu schwanken statt dagegen.
»Ja«, nuschelte Strell gähnend. »Danke. Das hilft. Aber ich werde trotzdem an Deck schlafen. Gut’ Nacht, Connen-Neute. Bis morgen.« Er nickte Lodesh zu, nahm den letzten Zwieback von dem Zinnteller und ging zur Treppe.
»Das hätten wir gleich am ersten Abend machen sollen«, flüsterte Connen-Neute, als Strell verschwand.
»M-hm«, entgegnete Lodesh gedehnt, mit einem fragenden Unterton in der Stimme.
Connen-Neute schrak aus seinen Gedanken und warf ihm einen Blick zu. »Du hast selbst beobachtet, wie er zusammengezuckt ist. Ich musste mir seine Pfade ansehen«, sagte er. »Er könnte die Resonanz eines Musters gesehen haben.«
»Ihr habt ihn belogen, um seine Zustimmung zu bekommen«, erwiderte Lodesh.
Connen-Neute blickte ihm fest in die Augen und weigerte sich, sich sein schlechtes Gewissen anmerken zu lassen. Er war ein Meister der Feste. Lodesh war Bewahrer. »Und du hast noch nie gelogen?«, fragte er.
Lodesh atmete tief ein, und sein Blick senkte sich auf seinen Teller. »Schon gut.«
Mit einem befriedigten Brummen griff Connen-Neute nach seinem Becher und trank einen Schluck. Weiter unten schmeckte das Wasser immer schlechter, es hinterließ einen säuerlichen Geschmack auf der Zunge. Er stellte den Becher beiseite, und seine Gedanken wandten sich wieder Strells ruinierten Pfaden zu. Strell Hirdun: Pfeifer, Töpfer und schwer vernarbt. Es gab nur eine Erklärung dafür. Ein wenig misstrauisch beobachtete er, wie Lodesh an seinem Zwieback knabberte. »Wo ist die Flöte?«, fragte Connen-Neute.
»Flöte?«, fragte Lodesh, ohne aufzublicken.
Connen-Neute beugte sich vor und schob den Teller des Bewahrers beiseite. »Die Flöte, die ich vor drei Jahrhunderten auf
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