Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
Flucht ausgelösten Wellen einen solch höllischen Schwanz übler Dinge nach sich ziehen würden, war jedoch nicht in ihrer Absicht gelegen.
Fieberhaft überdachte er das weitere Vorgehen.
„ Ma Dame“, sagte er nach einer Weile, „der Maultierzug braucht zu lange. Auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass Sicard Soldaten hinter den Juden herschickt, ist es sicherer, so schnell wie möglich aus dieser Gegend zu verschwinden. Lasst uns morgen vor Tagesanbruch weiterreiten, dann seit Ihr spätestens in drei Tagen in Carcassonne und in Sicherheit!“
Doch zu seiner Überraschung stemmte sich Alix gegen diesen Plan. Sie wolle die Juden nicht zurücklassen, sagte sie, nach allem, was diese Leute ihretwegen durchgemacht hatten. „Außerdem führt doch auch ihr Weg zuerst nach Carcassonne, zum Vizegrafen!“
Villaine, der sich bereits im Triumph in die Stadt einreiten sah – „ ma Dame“ an seiner Seite, dem Unholden aller Unholde entrissen -, kratzte sich am Kopf. „Dann reiten wir eben mit Euch und den Juden“, sagte er schlicht.
Alix sah ihn überrascht an. „Aber nein, Ihr habt schon viel zu viel für mich getan, Meister Spielmann, der Vizegraf wird Euch längst erwarten.“
„Gewiss doch“, antwortete Villaine, und er verbeugte sich höfisch, „andererseits würde ich mit Euch auch um die halbe Welt ziehen, denn ich vermag mir vorzustellen, dass es mir an der Seite einer Trullo-Spielerin nicht langweilig würde.“
Da huschte zum ersten Mal seit er sie kannte, ein verschmitztes Lächeln über ihr Gesicht, wobei der Spielmann nicht umhinkonnte festzustellen, dass Alix von Montpellier, wenn sie so lachte wie eben, schier unwiderstehlich war, selbst mit Grannen unter dem Judenschleier.
Rasch brachte er die Sprache auf den Bossu. „Er ist sein Sohn!“
Alix erstarrte. „Oh, heilige Jungfrau von den Tischen, sagt, dass das nicht wahr ist“, flüsterte sie und hielt sich die Hand aufs Herz. „Der Bucklige ist der Sohn des Erzbischofs? Was soll ich jetzt nur tun?“
„ Ma Dame , für gewöhnlich lässt der liebe Gott der Ziege den Schwanz nicht länger wachsen, als sie ihn braucht“, versuchte Villaine sie zu beruhigen. „Lasst den Kretin hier zurück. Ich will dem Wirt Geld geben, und dann …“
Doch plötzlich blitzten Alix` Augen auf - das spanische Blut ihrer Mutter ließ sich nicht immer verleugnen. Sie biss sich auf die Unterlippe, packte den Spielmann fest beim Arm. „Nein“, sagte sie leise, „der Bossu kommt mit mir nach Carcassonne. Vielleicht wird er noch gebraucht. Aber kein Wort über diese Sache, Meister Villaine, auch nicht zu Eurem Herrn Trencavel!“
Eine halbe Tagesreise von Carcassonne entfernt, schickte Villaine seine Männer voraus, um Alix` Ankunft zu melden. Er selbst blieb zurück, denn ihm spukte noch immer der grandiose Empfang im Kopf herum, den er sich längst in schillernden Farben ausgemalt hatte. Bereits am frühen Morgen hatte er sich in sein bestes grün-rotes Wams geworfen, das er bei seinem Auftritts im Turm des Erzbischofs getragen hatte, nun konnte er die Ankunft kaum erwarten.
Auch Alix wurde immer aufgeregter, je näher sie der Schwester und Carcassonne kam.
In der letzten Nacht, als sie schlaflos neben Esther im Wagen gelegen war, hatte sie ihr von ihrer Angst erzählt, ein Kind zu erwarten, denn trotz allem Geholpere unterwegs, dem Auf- und Abspringen vom Fuhrwerk und sonstiger Strapazen, hatten ihre Blutungen nicht wieder eingesetzt.
Esther Löw, der es wieder besser ging, einzig die Grübchen in ihren Wangen fehlten, war erschrocken. „Ihr bekommt ein Kind vom Erzbischof?“
„Ich weiß es nicht“, flüsterte Alix. „Aber wenn ja, so will ich dieses Kind nicht haben, denn ich hasse Bartomeu zutiefst. Was soll ich nur machen?“
Von der Jüdin stumm in den Arm genommen, erzählte ihr Alix erstmals von Inés, die durch üble Machenschaften an ihrer Stelle in Carcassonne residierte. Ein Schicksal, das beide Schwestern nicht zu verantworten hatten, das war auch Esters Meinung gewesen.
„Inés wird mir ihr Heim nicht verwehren, Esther, doch ob ich auf Dauer in Carcassonne leben kann oder will, weiß ich nicht. Nach Montpellier kehre ich keinesfalls zurück. Aber ich habe mir etwas ausgedacht. Wollt Ihr nicht an meiner Seite bleiben, gleich wohin mich das Schicksal verschlägt? Lasst uns doch Freundinnen werden!“
„Aber Herrin“, wagte Esther einzuwenden, „ich …“
„Mein Name ist Alix. Wir wollen Du zueinander sagen. Du sollst
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