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Alkor - Tagebuch 1989

Titel: Alkor - Tagebuch 1989 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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tapfer immer geradeaus. - Abbau der Außenaktivitäten immer noch nicht geglückt. Wenn es mir gelänge, mich hermetisch abzuschließen.
    Bio-Archiv: Obwohl ich es bei den Einsendern auch mit Psychopathen zu tun habe, gibt es erstaunlich wenig Ärger. Jetzt ruft allerdings dauernd ein Besoffener an aus Österreich, er will seine Fotos wiederhaben. Aber das ist die Ausnahme. Die meisten lassen mich freundlich in Ruhe. Und die Texte hier gären vor sich hin, fermentieren, bis ich mich ihnen widme. - Einen Freundesclub aufbauen, Leute, die mir wohl wollen.
    Übe jetzt die Mozart-Sonate und etwas Swing.«Laura …»Ach, ich werde das nie spielen können. Dafür interessiert es mich nicht genug. Und es gibt hier keine Girls mehr, denen ich damit imponieren könnte. - Morgens immer müde, gegen 11 Uhr ist’s aus. Im«Spiegel»über den Nachlaß Horváths, offenbar katastrophale Unterbringung. Eigentlich könnte ich doch das eine oder andere verkaufen. Aber wenn’s keiner haben will? - Harig erzählte, in den frühen Siebzigern habe er noch Hörspiel-Ms. in den USA für viel Geld verkaufen können. - Als ich einer berühmten Universität - war es Harvard?, oder Yale? - meine Manuskripte anbot, fragte die Bibliothekarin lediglich nach meinem Namen:«Wie war noch Ihr Name?»
    «Er arbeitete aus einem Gefühl der Kraft heraus, das aus der Einsamkeit geboren war.«
    Daß Kriegsblinde meistens auch taub sind.
    In der Post ein«ewig langer»Brief (Hildegard) aus Portugal. Eine Verehrerin. Solche Briefe können gar nicht lang genug sein.
    Dorfroman: Eine übergroße Krähe hämmerte gegen unsere Glastür. Ich dachte: Wer haut denn da Nägel ein? Gewaltiger Schnabel. Vielleicht durch Hühnerfutter angelockt und dann vom eigenen Spiegelbild erschrocken. Wir hängten die rote Lufthansa-Decke davor. Hildegard hat dunkle Gedanken. So abwegig sind sie nicht.
    Quartett g-Moll von Berwald. Eine sperrige Sache.

    Im TV: Bush und Kohl, der sich irgendwie über irgendwas diebisch freute.
    Bush: Wir machen das schon. - Kohl: Jaja, wir werden’s denen zeigen.
    Drei Motorradfahrer verunglückt, beim Rennen.
    Ja, einer tot,«der andere wird für immer querschnittsgelähmt sein». Traurig, traurig. Nächsten Tag: Der Mann kann schon wieder die Zehen bewegen. - Wie es ihm wohl morgen geht.
    2000: Gibt jetzt eine Sendung im TV, in der nur Auto- und Motorradunfälle gezeigt werden.«Es ist ihm nichts passiert», heißt es jedesmal. Man kann das Video kaufen.

Nartum
Fr 2. Juni 1989
    Bild: Paul Schockemöhle / Scheidung / Sie liebt Goldreiter / Schülerin bat ihre Freundin: Erschieß’ meine Mutter
    ND: Begegnung mit Militärs der Warschauer Vertragsstaaten
     
    Dorfroman: Ginster, Flieder, Vogelbeeren blühen ab. Der Weg ist mit gelben und weißen Blütenblättern gepudert. Wenn ich durch Duftwolken komme, balle ich die Fäuste, da ich keine Allergie bekommen will.
    Hildegard wieder recht grantig, aber im Prinzip lieb. Und ohne Knoblauch momentan.
    Rechenschaft vom Tage ablegen.
    Schäuble als kleiner Bankangestellter, er füllt die Figur eines Innenministers nicht gerade aus, aber er bietet auch keine Angriffsfläche wie der zwielichtige Zimmermann mit seinem Mephisto-Gesicht. Auch wenn er im Recht war, wirkte er unglaubwürdig. Aber gut reden konnte er.
    In der Verlagsankündigung heute wiederum meine Chronik nicht exakt dargestellt, die«Befragungsbücher»einfach weggelassen. Es ist nicht zu fassen! Aber woher soll ich die Kraft nehmen,
mich darüber aufzuregen. - Eigenartig, dies abwechselnde Arbeiten an den verschiedenen Projekten. Gestern saß ich intensiv am Roman, vorgestern habe ich mich mit dem«Sirius»beschäftigt, heute übertrug ich die englischen Texte vom Sammelbahnhof auf die jeweiligen Tage im«Echolot». Auch die PresseAnweisungen von Goebbels haben mich zwischendurch beschäftigt. Es ist ein ständiges Hinübergleiten von einem Projekt ins andere. - Die Presseanweisungen Goebbels habe ich schon als Lehrling in der Druckerei kennengelernt. Dort wurden die Karten als Notizpapier verwendet.
    In M/B verfüge ich noch über zu wenig Substanz für Jonathan, bei Sowtschick schöpfte ich immer aus dem vollen. - Ob die Backsteinsache trägt?
    Ein TV-Team war hier, ich sollte mich zur Wiedervereinigung äußern. Ob ich tatsächlich die Wiedervereinigung wünsche? Na, also, das ist eine Frage. Natürlich! - Sie waren verblüfft und verärgert über meine Reaktion. Ob das mein Ernst sei, wurde ich gefragt. Ich hatte den Eindruck, als ob

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