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All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman

Titel: All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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habe auch andere, sogar noch bessere Qualitäten.«
    Au verdammt, sollte das etwa ein Abend voller anzüglicher Doppeldeutigkeiten werden? Da würde er passen müssen. »Hätten Sie was dagegen, wenn ich Sie Rosie nenne, statt Adele?«
    Gleichgültiges Achselzucken. Offenbar war sie enttäuscht, dass ihm keine bessere Frage einfiel.
    »Wie sind Sie zu dieser Tätigkeit gekommen?«
    »Ich hab mich ausgezogen.«
    Der Barmann brachte ihm den Whisky. Den konnte er jetzt gebrauchen. Er kippte ihn gleich zur Hälfte. »Und haben darin Ihre Zukunft gesehen.«
    »So ungefähr.« Sie hatte ein unangenehmes Lächeln, als hätte sie einen schlechten Geschmack im Mund. Sie nippte an ihrem Martini. Der hatte eine merkwürdige Farbe, vermutlich eine von diesen Pseudo-Martini-Kreationen, wie sie bei Leuten beliebt waren, die eigentlich keine Martinis mochten.
    Jury riskierte es. »Sie konnten sie nicht leiden, stimmt’s?«
    Eine kunstvoll geschwungene Augenbraue hob sich erstaunt. »Sie meinen, Stacy? Ich hatte nichts gegen sie, wieso? Ich kannte sie ja kaum. Soll ich jetzt untröstlich sein, wo sie tot ist? Mich in Sack und Asche hüllen? Mich in die Themse stürzen? Von der Nelson-Säule springen?«
    Jury lachte. »Nein, aber Sie haben sich ja anscheinend Gedanken darüber gemacht.«
    Die Blässe, der weiße Hauch, der plötzlich über ihre Wangenknochen gestreift war, wurde nun wie Schnee im Wind fortgefegt.
Die Verwandlung war ziemlich drastisch. Der nächste Schritt von ihr ebenfalls.
    Rosie beugte sich zu ihm herüber. Ihre Hand auf seinem Handgelenk wanderte langsam an seinem Arm hinauf. »Wir wollten doch eigentlich bloß ein bisschen nett plaudern, was trinken, was essen, und dann wer weiß?«
    Er schon, er wusste es. Seltsam, dass er kein Verlangen nach ihr verspürte, keine Leidenschaft. Im Gegenteil. Er war, wie er zu Carol-Anne gesagt hatte, nicht zum Vergnügen hier. Trotzdem wäre das noch kein Grund gewesen, sich wie ein Eisklotz zu fühlen. War es wegen Lu Aguilars schrecklichem Zustand? Aus Schuldgefühl? Nein, schließlich hatte ihn das ja auch nicht davon abgehalten, mit Phyllis ins Bett zu steigen (schon beim Gedanken daran begann das Eis zu schmelzen). Nein, irgendetwas fehlte, irgendetwas sprang nicht über.
    Dann dachte er: Sie spielt Theater. Das gehörte dazu. Er konnte sich natürlich denken, dass sie das oft tat. Nur war sie ja gar nicht in ihrer Rolle als Escort-Girl hier. Er hatte sie nicht gebucht, sondern sich nur so mit ihr getroffen. Wieso musste sie diese Nummer abziehen? Er sagte: »Dieser Bursche in Chesham, mit dem Stacy verlobt war …«
    Rosie kippte ihren restlichen Drink und hielt das Glas nicht Jury, sondern dem Barmann entgegen. Noch einen. Der nickte. »Verlobt?«, meinte sie dann. »Ist doch Quatsch. Hat er Ihnen das verzapft?« Ihr Ton war seltsam gehässig. Sie drückte ihre Zigarette aus. »Bobby hat ihr nie was bedeutet. Mit dem war sie bloß zum Spaß zusammen.«
    Der ernste, sympathische Bobby Devlin war wohl kaum ein Mann, mit dem sich ein Mädchen »bloß so zum Spaß« einließ. Rosie sah das offensichtlich völlig falsch. Die Männer, mit denen Mariah-Stacy unverbindlichen Sex hatte, die fielen schon eher in diese Kategorie.
    »Na, jedenfalls«, fuhr Rosie fort, »war er überhaupt nicht ihr Typ. Dieses ganze wirre Kleinejungsgetue? O nein, das war doch
nicht…« Sie unterbrach sich mitten im Satz. Sie hatte schon zu viel gesagt.
    Jury beobachtete, wie sie einen Rückzieher zu machen versuchte.
    »Den Eindruck hatte ich jedenfalls.«
    »›Wirres Kleinejungsgetue‹? So etwas würde man eher selbst sehen, als dass man es erzählt bekommt, und erzählt hat Mariah es Ihnen ganz bestimmt nicht. Wann sind Sie ihm also begegnet?«
    Sie wandte den Blick ab, schaute im Raum umher. »Ach, ich hab ihn bloß einmal getroffen, zufällig.«
    »Bobby Devlin sagte mir, er käme selten nach London, er kann die Stadt nicht leiden. Ich nehme also an, Sie sind ihm in Chesham begegnet. Davon haben Sie gar nichts gesagt. Komisch, vor allem, weil Sie ja angeblich so wenig wissen über Mariahs Leben. Aber Sie wussten Bescheid, nicht wahr? Sie waren sehr vertraut mit ihr. Das mit Bobby hat sie ja eigentlich für sich behalten.«
    Rosie ignorierte den frisch servierten Martini und schob das Zigarettenetui wieder in ihre Tasche zurück. Sie klappte die Tasche zu und griff nach dem Paschminatuch, das sie über die Rückenlehne ihres Barhockers geschlungen hatte. »Wissen Sie was, das wird mir jetzt

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