All the lonely people
verändern.
Doch möglicherweise wollen Sie gar nicht sofort etwas bewegen, sondern erst einmal verstehen, was damals war. Dazu müssen Sie tiefer in Ihre Vergangenheit eintauchen. Die meisten Menschen scheuen sich davor. Sie spüren intuitiv, dass es viel Mut erfordert, sich darauf einzulassen. Mit der Vergangenheit betreten Sie eine Welt, die voller Fantasie und Spiel ist, aber auch voller Monster, Schrecken und Einsamkeit. Es ist die Welt, die Sie damals wahrgenommen haben. Darin werden Sie der Trauer, dem Schmerz, der Verachtung und der Vernachlässigung noch einmal begegnen und sie durchleben. Die folgenden drei Wege aktivieren Ihre Erinnerung und können Sie dorthin führen:
Gehen Sie an die Orte Ihrer Kindheit zurück
A uf einer Durchreise kam ich nach fünfundzwanzig Jahren das erste Mal wieder in den Ort, in dem ich bis zu meinem sechsten Lebensjahr gewohnt hatte. Es hatte sich nicht viel verändert: Da war der Wall, auf dem wir als Kinder Indianer gespielt hatten, die Bäckerei, in deren volle Milchkannen ich damals als Dreijährige quietschvergnügt mit meinem Eimerchen Sand geschüttet hatte. Und da war der Kindergarten, in den ich gegangen war. Es war später Nachmittag, der |44| Spielplatz vor dem Kindergarten war leer. Ich setzte mich auf die Wippe. Plötzlich fühlte ich mich wie in H.G. Wells’ berühmter Zeitmaschine. Ich war wieder vier Jahre alt und erlebte noch einmal diese Zeit. Ich musste mir innerlich einen Ruck geben, um in die Gegenwart zurückzufinden.
Orte der Kindheit haben ihre eigene Magie. An ihnen werden die alten Gefühle und Gedanken wieder wach. Falls es Ihnen möglich ist, suchen Sie sie auf. Ihre Reise in die Vergangenheit sollten Sie möglichst allein machen, denn Sie brauchen Zeit und Ruhe, um in sich hineinzuhorchen. Spüren Sie nach, wie es Ihnen damals ergangen ist. Lassen Sie den Gefühlen, die dabei auftauchen, einfach freien Lauf. Manche Menschen schämen sich dessen und halten Trauer für Wehleidigkeit und Wut für unangemessen. Mit übertriebenem Selbstmitleid hat das jedoch gar nichts zu tun. Das Kind von damals verdient es, dass Sie endlich Mitgefühl empfinden.
Betrachten Sie Ihre Kinderfotos
N ehmen Sie sich in einer ruhigen Stunde einmal Ihr Fotoalbum mit den Bildern aus Ihrer Kindheit vor. Blättern Sie darin, und suchen Sie sich das Bild aus, das Sie am meisten anspricht. Lassen Sie sich Zeit, und versenken Sie sich in den Anblick dieses kleinen Mädchens oder dieses kleinen Jungen. Wie stehen Sie zu ihm? Es kann sehr wohl sein, dass bei der Betrachtung starke Emotionen hochkommen. Vor einiger Zeit bat ich einen Klienten, eines seiner Kinderbilder mitzubringen. Auf seinem Foto saß er als Dreijähriger auf einem Schaukelpferd und schaute mit großen Augen in die Welt. Als er sich auf das Bild einließ, traten Tränen in seine Augen. Ihn rührte, wie offen und arglos er darauf war. Und er spürte die tiefe Trauer um den Verlust dieser Offenheit.
Vielleicht wird es Ihnen ähnlich ergehen. Sie werden sich berührt fühlen, wenn Sie das Kind auf dem Foto anschauen. Sie können noch einen Schritt weitergehen und mit ihm sprechen. Fragen Sie, was es erlebt, was seine Hoffnungen und seine Ängste sind, was es vermisst. Die Antwort werden Sie als innere Stimme hören. Möglicherweise |45| sagt es Ihnen: »Ich bin so allein. Keiner will mit mir spielen. Papa und Mama sind auch immer weg.« Oder Sie hören: »Dauernd wollen die von mir, dass ich vernünftig bin. Dabei habe ich den Kopf voller Ideen.« Über das Medium des Fotos nehmen Sie mit dem Kind, das Sie einmal waren, Kontakt auf und befreien es aus seiner stummen Warteposition.
Schreiben Sie aus der Kinderperspektive einen Brief an Ihre Eltern
S ie können sich auch auf diese Weise in das Kind, das Sie einmal waren, hineinversetzen: Nehmen Sie sich ein Blatt Papier und schreiben Sie den Menschen einen Brief, die damals für Sie von Bedeutung waren. Meist sind das die Eltern oder nahe Verwandte. Schreiben Sie ihnen, was Sie vermissten und was Sie sich damals gewünscht hätten. Sie brauchen diesen Brief niemals abzuschicken. Er dient nur dazu, sich klarer darüber werden, was Sie damals gebraucht hätten.
Der Psychotherapeut John Bradshaw setzt diese Form häufig in seinen Workshops ein und ist immer wieder über die tiefe Wirkung erstaunt. In seinem Buch
Das Kind in uns
zitiert er zwei Briefe, die ein Mann und eine Frau aus der Kinderperspektive an ihre Eltern geschrieben haben. Ich finde diese Brief sehr
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