All the lonely people
vergeblich nach der großen Krise bei Männern mittleren Alters.
Für den Psychologen Albert Bandura von der Stanford Universität spielen Zufälle eine entscheidendere Rolle als ein vorgegebenes Raster. Wann wir unseren Job anfangen oder wann wir heiraten ist oft davon abhängig, welche berufliche Chance uns geboten wird oder ob uns die große Liebe über den Weg läuft. Nancy Schlosser, Psychologin an der University of Maryland, bestreitet ebenfalls auf Grund eigener |74| Untersuchungen, dass es einen einzigen allgemeingültigen Fahrplan für die Entwicklung im Erwachsenenalter gibt.
Die Wahrheit liegt in der Mitte
W er hat denn nun recht? Nachdem sie die unterschiedlichen Theorien gesichtet hatten, kamen Anne Rosenfeld und Elisabeth Stark, Redakteurinnen der Zeitschrift
Psychology Today
, zu folgendem Fazit: »Wer nach einem allgemeingültigen Muster für sein Leben sucht und Gewissheit will, für den werden die widersprüchlichen Forschungsergebnisse frustrierend sein. Sie lassen jedoch genügend Raum für die unterschiedlichsten Szenarios im jungen und späteren Erwachsenenalter.« 12
Das heißt im Klartext, dass die Wahrheit offenbar in der Mitte liegt: Eine starre Einteilung funktioniert nicht mehr in einer Welt, in der sich ehemals feste Strukturen auflösen und jeder weitgehend frei entscheiden kann. Es gibt nicht mehr
das
passende Alter zum Kinderkriegen, ebenso wenig wie
die
richtige Zeit zum Heiraten. Gleichzeitig gilt aber auch, dass wir zu bestimmten Zeiten unseres Lebens bestimmte Anforderungen erfüllen müssen, zum Beispiel, dass wir mit etwa sechs Jahren eingeschult werden, oder dass erwachsene Kinder irgendwann das Elternhaus verlassen. Einfluss üben auch biologische Vorgänge aus, wie etwa die Hormonschübe in der Pubertät oder in den Wechseljahren.
Wenn wir also im Folgenden über Phasen sprechen, die Einsamkeit auslösen können, dann ist das nicht als unwandelbares Muster zu verstehen. Wir sind flexibler als Generationen vor uns, die Grenzen zwischen den Lebensaltern sind weicher geworden. Doch die Erfahrung zeigt uns auch, dass es immer noch einige »klassische« Schaltstellen für Einsamkeit geben kann.
In Seminaren habe ich häufig mit dem so genannten »Lebenspanorama« gearbeitet: Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen gehen ihr Leben zunächst in Gedanken noch einmal durch. Danach malen sie es, von der Geburt bis zur Gegenwart. Welche Form sie für ihre Erinnerung wählen, bleibt ihnen überlassen. Manche drücken sich mit |75| Strichmännchen samt Sprechblasen aus, andere mit Farben und abstrakten Formen. Dieser Blick von oben auf das gesamte bisherige Leben – daher auch der Name »Lebenspanorama« – erlaubt es, Zusammenhänge und Verläufe genauer zu sehen. In den zahlreichen Lebensbildern, die ich auf diese Weise betrachten durfte, habe ich immer wieder bestimmte allgemeine Phasen gefunden, die unabhängig von den individuellen Erlebnissen erschienen.
Es gibt durchaus kritische Zeitabschnitte, in denen sich Einsamkeit besonders einstellen kann. Man darf sie gewiss nicht als zwingend notwendige, unumgängliche Ursache für Einsamkeit betrachten. Sie lösen diese aber möglicherweise aus. Ich möchte Ihnen deshalb diejenigen Lebensabschnitte vorstellen, die erfahrungsgemäß mit Einsamkeit verbunden sein können. Dabei habe ich mich auf die Phasen beschränkt, die alle Menschen erleben, weil sie mit Altersstufen verbunden sind. Ausgelassen habe ich diejenigen, die sich auf spezielle Lebenssituationen beziehen, wie das »Leeres-Nest-Syndrom«, an dem Mütter oft leiden, wenn die Kinder das Haus verlassen, oder die Pensionierung, die eine vorherige feste Anstellung voraussetzt. Wer darüber mehr wissen möchte, findet ausführliche Hinweise in der einschlägigen Ratgeberliteratur.
Lassen Sie uns hier die Phasen gemeinsam anschauen, die mit dem allgemeinen Verlauf des menschlichen Lebens zu tun haben. Dann können Sie selbst überprüfen, ob sich Ihre Einsamkeit einer bestimmten Lebensphase zuordnen lässt. Sollte das der Fall sein, dann geben Ihnen die dazu gehörigen Hinweise vielleicht besondere Impulse, etwas zu verändern.
Die Pubertät – die stürmische Zeit der Einsamkeit
S chließen Sie bitte die Augen. Stellen Sie sich vor, Sie fahren in einer Zeitmaschine zurück in Ihr zwölftes bis sechzehntes Lebensjahr. Schauen Sie sich von Ihrer sicheren Warte aus um: Wo leben Sie? Wer ist mit Ihnen zusammen? Wie geht es Ihnen? Was denken und was fühlen Sie? Öffnen Sie wieder
Weitere Kostenlose Bücher