All the lonely people
Ihre Augen.
Wenn Sie Glück haben, sahen Sie soeben auf Ihrer Reise in die Vergangenheit |76| ein freundliches Bild. Sie hatten verständnisvolle Eltern, gehörten zu einer netten Clique und entwickelten sich problemlos zu einem jungen erwachsenen Menschen. Allerdings wäre dieser sanfte Verlauf eine große Seltenheit. Die Zeit der Pubertät ist eher stürmisch. Wir fühlen uns hin- und hergeschleudert zwischen dem kindlichen Wunsch, in der Familie geborgen zu bleiben, weiterhin Papas kleines Mädchen oder Mamas lieber Junge zu sein, und dem heftigen Verlangen, sich von daheim unabhängig zu machen. Die Hormone spielen verrückt, die erwachende Sexualität sorgt für Unruhe. Wir fragen uns, wer wir eigentlich sind. Unsere Altersgenossen, die Peergroup, spielen eine zunehmend größere Rolle. In ihrer Gesellschaft probieren wir uns aus. Wir suchen Antwort auf die Fragen: »Bin ich noch richtig? Komme ich beim anderen Geschlecht an?« Obwohl wir äußerlich Nähe suchen, bleiben wir doch verschlossen und lassen niemanden wirklich an uns heran. Darin liegt die Einsamkeit dieser Zeitspanne begründet. Die Psychoanalytikerin Louise J. Kaplan bestätigt das mit etwas spröde klingenden Worten: »Das Fehlen jeder echten emotionalen Verbundenheit bei diesen Peergroup-Erfahrungen führt dazu, dass sich Jugendliche einsam und von all jenen Dialogformen, nach denen sie sich eigentlich sehnen, entsetzlich abgeschnitten fühlen. Bei alledem haben sie keine Ahnung, was sie tun und wie ihnen geschieht.« 13 Im Großen und Ganzen werden ihr die meisten zustimmen. In der Pubertät suchen wir verzweifelt einen Menschen, der uns versteht, und ziehen uns gleichzeitig in unser Schneckenhaus zurück.
Die Pubertät kann weitreichende Folgen haben
N un haben Sie Ihre Pubertät schon längst hinter sich und wundern sich, warum ich sie überhaupt noch in den Katalog der Einsamkeitsphasen aufgenommen habe. Der Grund dafür ist: Was wir in diesem verletzlichen Übergang vom Kind zur Frau oder zum Mann erleben, kann für uns prägend sein. Möglicherweise haben Sie in dieser Zeit schlechte Erfahrungen damit gemacht, sich anderen Menschen zu öffnen. Oder jemand hat Ihr Äußeres unüberlegt kritisiert und damit |77| Ihr Selbstbewusstsein beeinträchtigt. Das kann Ihnen bis heute Probleme machen, zum Beispiel die Angst, zurückgewiesen zu werden, wenn Sie offen Ihre Gefühle zeigen, oder die Vorstellung, Sie seien einfach nicht attraktiv genug. In der Pubertät gewonnene Einstellungen können genauso einsam machen wie diejenigen, die Sie in der frühen Kindheit erworben haben.
Sobald Sie in Ruhe darüber nachdenken, kommen Sie Überresten aus der Pubertät gewiss auf die Spur. Beantworten Sie dazu bitte die folgenden Fragen, und schreiben Sie die Ergebnisse auf:
•
Welche Verhaltensweisen zeige ich erst seit meiner Pubertät? Zum Beispiel die Angst, als Frau meine erotische oder als Mann meine weiche Seite zu zeigen.
• Welche Glaubenssätze habe ich aus dieser Zeit zurückbehalten, die mich heute noch beeinflussen? Zum Beispiel »Männer schauen nur auf das Äußere«; »Frauen wollen immer nur den starken Mann«.
• Welche Schlussfolgerungen habe ich gezogen, die mein Handeln aktuell bestimmen? Zum Beispiel »Am besten halte ich mich zurück, dann blamiere ich mich auch nicht«; »Mich versteht ja doch keiner«.
Wenn Sie sich von damals entstandenen Einstellungen befreien möchten, machen Sie sich bewusst, dass Sie heute nicht mehr der verletzliche, unsichere junge Mensch von damals sind. Inzwischen besitzen Sie mehr Lebenserfahrung. Es gibt keinen Grund, an überholten Gedanken und Gefühlen festzuhalten und dadurch die Einsamkeit zu verstärken. Betrachten Sie sich mit erwachsenen Augen. Setzen Sie jeder Aussage aus obiger Liste eine Aussage der Stärke entgegen. Ihr Pubertätsgefühl vermittelt Ihnen beispielsweise: »Mich schaut ja doch kein Mann (keine Frau) an.« Dann könnten Sie dagegenhalten: »Das stimmt nicht. Ich hatte schon einige interessante Flirts. Außerdem kleide ich mich heute besser und bin selbstsicherer.« Machen Sie sich die Mühe, sämtliche überholten Formeln durch neue, positive zu ersetzen.
|78| Jung und einsam – die Orientierungssuche der jungen Erwachsenen
E s war noch nie leicht, erwachsen zu werden. Auch wenn Literatur und Film diese Lebensphase oft romantisch verbrämen, ist der Start ins Leben eine anstrengende Zeit. Liebeskummer, die Wahl der Studienfächer oder des
Weitere Kostenlose Bücher