Allan - Die Suche nach dem Ich (Band 2) (German Edition)
zurückkehren und aufräumen würden? Ganz gewiss nicht. Sie blickte sich um und stellte zu ihrer Erleichterung fest, dass sich hier keine Moags aufhielten. Schnell kam sie an der hinteren Tür des Raumes an und trat in den Garten, in dem sie ebenso alleine war. Am anderen Ende konnte sie das Moorenblatt sehen. Zügig schritt sie hinüber, bückte sich und pflückte gleich ein paar Blätter mehr. Sie würde sie gewiss noch gebrauchen können. Sie erhob sich wieder und wandte sich um. Der Blitz traf sie unverhofft, ihr Herz schien stehen zu bleiben. Vor ihr stand der Maskenträger. Die Maske war seit ihrem letzten Zusammentreffen viel dunkler geworden - sie war beinahe schwarz. Doch der violette Schein umgab sie immer noch. Das Antlitz der Maske grinste sie boshaft an.
»Was willst du von mir?«, fragte sie mit zittriger Stimme, jedoch bekam sie keine Antwort. »Was willst du von mir?«
Sie spürte, wie ein eisiger Blick sie durch die Maskenaugen traf. Er erschütterte ihr Rückenmark, stellte ihr die Nackenhaare auf. Dann sprach er mit kühler, monotoner Stimme: »Dir deinen Abgang so angenehm wie möglich machen.«
Ihren Abgang? Ihr war von Anfang an bewusst gewesen, was er mit ihr anstellen wollte: sie töten. Allerdings hatte sie gehofft, sich zu irren. Mit Bedacht, ohne dass ihr Gegenüber es bemerkte, steckte sie langsam ihre Hand in die Tasche ihres Mantels.
»Grässlich, wie du ausschaust.«
Nomas Mund blieb offen stehen. Sie wollte nicht glauben, was sie gehört hatte. Wie konnte er es wagen, sie so zu erniedrigen? Hatte er ihr nicht schon genug angetan? Jeden Tag fasste sie sich an den Schädel und wurde daran erinnert, welch´ abscheulichen Fluch er auf sie gelegt hatte. In den Spiegel blickte sie seit Langem nicht mehr. Ihren eigenen Anblick konnte sie nicht ertragen. Sie sah wahrlich abstoßend aus. Doch das gab diesem Bastard noch lange nicht das Recht, so abwertend ihr gegenüber zu sein. Aber wenn sie ehrlich war, hatte sie nichts anderes erwartet. Er war die Ausgeburt des Bösen und würde nichts auslassen, um seine Macht dazulegen - selbst wenn es auf Kosten anderer geschehen würde oder gerade deswegen ...
»Dass du noch kein Kraut gefunden hast, um dir diese hässlichen Beulen vom Schädel wegzuhexen ... Nicht zu fassen.«
Das, was er gesagt hatte, war durchaus berechtigt. Sie war eine Hexe, doch war sie nicht in der Lage, gegen solche bösartigen und niederträchtigen Flüche anzugehen. Diese aussichtslose Situation müsste endlich ein Ende finden.
»Verschwende nicht meine Zeit mit deinem bedeutungslosen Gerede! Bringen wir es hinter uns.«
»Dann grüße mir den werten Allan, wenn du ihm im Jenseits begegnest.«
Allan! Er war also wirklich in Gefahr. Diese Bestie führte etwas im Sinn, was ihn von seiner Suche abhalten sollte. Sie betete zu den Göttern, dass das, was sie vorhatte, glücken würde. Die Maske begann zu leuchten, sie spürte, wie eine unsichtbare Macht versuchte, in ihr Gehirn einzudringen. Ehe dies gelingen würde, zog sie ihre Hand, in der sie ein weißes Pulver hielt, aus der Manteltasche und warf es in Richtung Maske. Es fand seinen Weg sogar durch die Augen zum Gesicht ihres Gegners. Dieses Pulver war eine Erfindung ihres Lehrmeisters Crento. Schon als Kind war sie bei ihm in die Lehre gegangen. Ihr ging es wie Allan: Wo sie herstammte, wusste sie nicht. Ihre Kindheitserinnerungen begannen bei ihrem Leben bei Crento - da war sie elf. Alles, was zuvor geschehen war, war in Vergessenheit geraten. Jedoch wollte sie nicht wissen, was vor ihrer Ausbildung passiert war, denn sie liebte es, eine Hexe zu sein. Erinnerungen an ein früheres Leben würden vermutlich nur Zweifel in ihr wecken.
Der Maskenträger begann zu stöhnen und zu würgen. Er war von ihr abgelenkt und das hatte sie mit ihrem Angriff auch bezwecken wollen. Sie lief los, ohne hinter sich zu blicken. Von Angst getrieben durchquerte sie den Garten und den Tempel, bis sie ins Freie gelangt war. Doch war die Gefahr noch nicht gebannt. Am Moor hexte sie das Blatt herbei, welches sie auf die andere Seite brachte. In ihrem Haus füllte sie ihren Kessel erneut mit Kleiebären, Wünschelkraut und Smaragdhut. Gut, dass sie noch alle Zutaten da hatte, sonst wäre sie verloren. Zu guter Letzt gab sie Moorenblatt hinzu und verrührte alles zu einem zähen Brei. Sie spürte, dass er schon fast ihr Heim erreicht hatte. Eile war geboten. Die Brühe füllte sie nicht wie sonst in einen Flakon ab - schließlich wollte sie
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