Allan Quatermain
huldvolle Königin und Schwester, für die Liebe und die Freundlichkeit, die du mir zukommen ließest von Kindesbeinen an. Besonders danke ich dir für die Gnade, die du mir erwiesest, indem du mein Leben und mein Schicksal in die Hand des Fürsten Incubu legtest – des zukünftigen Königs also. Mögen Glück, Frieden und Wohlstand wie Blumen auf dem Pfade deines Lebens wachsen, gütige Schwester. Lange mögest du herrschen über dieses Land, große, erhabene Königin, und die Liebe deines Gatten fest in deinen Händen halten. Mögen eurer Liebe viele Söhne und Töchter entspringen, die alle so schön sind wie du, o Königin. Und auch dir will ich danken, Incubu, dir, dem zukünftigen König, tausendfach will ich dir danken, daß du so gütig warst, das Geschenk der Königin anzunehmen, und daß du es weiterreichtest an deinen Gefährten in der Schlacht und im Abenteuer, Fürst Bougwan. Gewiß entspricht dieser Akt deiner Größe und deiner Erhabenheit, Fürst Incubu. Und nun will ich auch dir danken, Fürst Bougwan, der du dich dazu herabließest, mich und meine arme Schönheit als Geschenk anzunehmen. Auch dir danke ich tausendfach, und ich will hinzufügen, daß du ein guter und ehrenhafter Mann bist, und ich lege die Hand auf mein Herz und schwöre, daß ich wünschte, ich könnte ›ja‹ sagen. Und nun, da ich euch allen meinen Dank ausgesprochen habe« – und wieder lag dieses hintergründige Lächeln auf ihren Zügen – »laßt mich noch ein Wort hinzufügen.
Wie schlecht ihr mich kennen müßt, du, Nylephta, und ihr, meine Herren, wenn ihr nicht wißt, daß es für mich keinen Mittelweg geben kann; wenn ihr nicht wißt, daß ich euer Mitleid verachte und euch dafür hasse; daß ich eure Barmherzigkeit von mir schleudere wie einen räudigen Hund; hier stehe ich vor euch, verraten, verlassen, in den Staub getreten und allein, und doch triumphiere ich über euch, verhöhne und verspotte euch alle miteinander, und dies ist meine Antwort!« Und dann, blitzschnell, bevor auch nur einer von uns ahnen konnte, was sie vorhatte, stieß sie sich den kleinen silbernen Speer, den sie in der Hand hielt, mit solcher Wucht und Zielsicherheit in die Seite, daß die Spitze auf der anderen Seite aus ihrem Rücken herausragte, und dann stürzte sie vornüber auf den Boden.
Nylephta schrie auf, und der arme Good wurde von dem Anblick beinahe ohnmächtig, während die restlichen Anwesenden zu ihr hinstürzten. Doch Sorais, die Herrin der Nacht, stützte sich noch einmal auf ihren Arm und blickte in die Runde. Einen Moment lang hefteten sich ihre dunklen Augen auf Curtis' Gesicht, und es schien, als läge irgendeine Botschaft in ihrem Blick. Dann ließ sie ihren Kopf mit einem tiefen Seufzer fallen, und mit einem Schluchzen ging ihr dunkler und doch so prächtiger Geist von ihr.
Nun, man bestattete sie in königlichen Ehren, und das war das Ende von Sorais, der Herrin der Nacht.
Einen Monat, nachdem der Vorhang über dem letzten Akt von Sorais' Tragödie gefallen war, fand eine große Zeremonie im Blumentempel statt, und Curtis wurde in aller Form zum Prinzgemahl von Zu-Vendis ernannt. Ich war zu krank, um der Feierlichkeit beiwohnen zu können; ich muß jedoch auch gestehen, daß mir das nicht ganz ungelegen war; denn ich kann solcherlei Gepränge auf den Tod nicht ausstehen; die frenetisch jubelnde Volksmasse, der Klang von Pauken und Trompeten und das prunkhafte Fahnengeschwenke – all dies ist mir zuwider. Good jedoch wohnte der Zeremonie bei – in seiner Galauniform, versteht sich. Tief beeindruckt kehrte er zurück und erzählte mir, wie reizend Nylephta ausgesehen hätte, und welch wahrhaft königlichen Eindruck Curtis hinterlassen hätte. Man hätte ihn mit solch frenetischem Jubel begrüßt, daß ein für allemal jeder Zweifel an seiner außerordentlichen Beliebtheit bei der Bevölkerung, falls überhaupt jemals ein solcher bestanden hätte, ausgelöscht worden wäre. Und als man Daylight an der Menge vorbeiführte, da hätte das Volk »Macumazahn, Macumazahn!« gebrüllt, bis alle heiser gewesen wären. Die Leute hätten erst wieder zur Ruhe gebracht werden können, indem er, Good, sich in seinem Triumphwagen aufgerichtet und ihnen zugerufen habe, daß Macumazahn zu schwer verwundet sei, um an der Parade teilzunehmen.
Später kam auch Sir Henry, oder besser, der König, zu mir. Er sah sehr müde aus und versicherte mir, sich niemals in seinem Leben so gelangweilt zu haben wie während jener
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