Allan Quatermain
über mit Blut besudelt, und zuckte krampfartig wie ein galvanisierter Frosch. Armer Kerl! dachte ich, nun hat es ihn doch noch erwischt. Ich kniete mich neben ihn und suchte, soweit seine Zuckungen und Verrenkungen das zuließen, nach der Wunde.
»Oh, das fürschterliche Loch in mein Rücken!« schrie er auf. »Isch bin gemordet! Isch bin tot! Oh, Annette!«
Ich suchte weiter, aber ich fand beim besten Willen keine Wunde. Plötzlich dämmerte es mir – der Mann war gar nicht verwundet, er war bloß zu Tode erschrocken!
»Stehen Sie auf!« brüllte ich ihn an. »Stehen Sie auf! Schämen Sie sich überhaupt nicht? Ihnen ist kein Haar gekrümmt worden.«
Er stand auf, völlig unversehrt. »Aber, Monsieur, isch dachte, isch wäre tot«, sagte er mit Unschuldsmiene; »isch wußte nischt, daß isch ihn besiegt 'abe.« Dann versetzte er dem toten Masai einen Tritt und rief triumphierend: »Ah, du 'und von einem Masai, du schwarze Wilde, du bist tot nun! Was für ein Sieg!«
Angeekelt wendete ich mich von dem Kerl ab und ging zu den anderen zurück. Alphonse folgte mir wie ein Schatten und beeilte sich, ebenfalls zu den anderen zu kommen. Das erste, was ich sah, war Mr. Mackenzie. Er saß auf einem Stein. Um seinen Oberschenkel, aus dem er stark blutete, hatte er ein Taschentuch gebunden. Eine Speerspitze war ihm in den Oberschenkel gedrungen und hatte ihn durchbohrt. In der Hand hielt er noch immer sein geliebtes Schnitzmesser, dessen Klinge nun völlig verbogen war. Daraus schloß ich, daß er aus seinem Handgemenge mit dem Masai als Sieger hervorgegangen war.
»Ah, Quatermain!« rief er mit zitternder, erregter Stimme, »so haben wir denn nun obsiegt! Aber es ist ein schrecklicher Anblick; fürwahr, ein schrecklicher Anblick!« Und dann verfiel er in ein breites Schottisch und starrte auf die verbogene Klinge in seiner Hand: »Es ärgert mich nur, daß ich die Klinge meines besten Schnitzmessers verbogen habe!« Dann lachte er hysterisch. Der arme Kerl, was er alles hatte durchmachen müssen; und jetzt war er völlig mit den Nerven am Ende. Was Wunder! Es muß entsetzlich sein für einen Mann des Friedens, der noch dazu ein so gutes, weiches Herz hat, sich gezwungen zu sehen, an solch einem grauenhaften Gemetzel mitzuwirken. Aber manchmal treibt uns die Ironie des Schicksals in die seltsamsten Situationen.
Am Vordereingang des Kraals bot sich ein tragischer Anblick. Das Gemetzel war nun vorüber, und die Verwundeten waren von ihren Qualen erlöst worden; es hatte keine Gnade gegeben. Die Dornenbüsche, die den Eingang versperrt hatten, waren plattgetrampelt, und an ihrer Stelle füllten nun die Leiber von Toten den Eingang. Tote, überall Tote – sie lagen in Haufen herum; sie lagen einzeln und zu zweit in allen erdenklichen Positionen über den ganzen Kraal verstreut. Vor diesem Eingang auf einem Fleck von Leichen und von den Schilden und Speeren, die überall verstreut herumlagen, so wie ihre Träger sie fallengelassen hatten, standen und lagen die Überlebenden des Gemetzels, und zu ihren Füßen waren vier Verwundete. Wir waren dreißig Mann stark in den Kampf gezogen, und von diesen dreißig hatten bloß fünfzehn überlebt, und fünf davon (einschließlich Mr. Mackenzie) waren verwundet, davon zwei tödlich. Von denen, die den Eingang gehalten hatten, waren nur Curtis und der Zulu übriggeblieben. Good hatte fünf Mann verloren, ich zwei, und Mackenzie nicht weniger als fünf von den sechsen, die in seiner Gruppe gewesen waren. Diejenigen, die überlebt hatten, waren mit Ausnahme meiner Person – ich selbst war nie im dichten Kampfgetümmel gewesen – von Kopf bis Fuß mit Blut beschmiert – Sir Henrys Panzerhemd hätte glatt rot gefärbt sein können – und völlig erschöpft; ausgenommen Umslopogaas, der, wie immer auf seine Axt gelehnt, mit grimmigem Gesicht auf einem kleinen Erdwall hinter einem Berg von Toten stand und wenig mitgenommen aussah, wenngleich die Haut über dem Loch in seinem Kopf heftig pulsierte.
»Ah, Macumazahn!« rief er, als ich erschöpft und müde zu ihm aufblickte. »Ich sagte dir doch, es würde ein guter Kampf werden, und so ist es auch gekommen. Nie hatte ich einen besseren gesehen, nie einen, in dem tapferer gekämpft wurde. Und dieses Eisenhemd – bestimmt ist es ›tagati‹ (verzaubert); nichts vermochte es zu durchdringen. Ohne dieses Gewand läge ich jetzt dort «, und er deutete mit einer Kopfbewegung auf den riesigen Leichenhaufen.
»Ich schenke es dir;
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