Allan Quatermain
nützlicher machen. Ich verschoß an jenem morgen neunundvierzig Patronen, und nur die wenigsten meiner Kugeln erreichten nicht ihr Ziel.
So verbissen und geschickt wir auch ans Werk gingen – das Pendel der Waage begann langsam, aber sicher gegen uns auszuschlagen. Es sah immer schlechter für uns aus. Wir verfügten vielleicht noch über fünfzehn oder sechzehn kampffähige Männer, die Masai hingegen hatten immer noch mindestens fünfzig. Wenn sie kühlen Kopf bewahrt hätten und sich formiert hätten, wäre der Kampf natürlich sehr schnell zu ihren Gunsten entschieden gewesen; aber gerade das taten sie nicht. Sie hatten anscheinend den Schock noch immer nicht überwunden; dazu kam, daß einige von ihnen in ihrer Verwirrung blindlings von ihren Schlafstellen weggerannt waren, ohne ihre Waffen mitzunehmen. Einige jedoch hatten sich inzwischen erholt und kämpften nun mit ihrer gewohnten Tapferkeit und Übersicht, und allein dies mußte unter normalen Umständen ausreichen, uns bald zu besiegen. Zu allem Überfluß wurde auch noch Mr. Mackenzie gerade in dem Moment, da er sein Magazin leergeschossen hatte, von einem muskulösen Burschen mit dem Kurzschwert angegriffen. Der Geistliche sah den Wilden auf sich zustürzen, warf sein Gewehr zu Boden, riß sein großes Schnitzmesser aus dem Gürtel (sein Revolver war ihm während des Kampfes herausgefallen), und schon waren die beiden in wildem Handgemenge miteinander umschlungen. Eng umklammert rollten die beiden hinter die Mauer, und da ich selbst alle Hände voll zu tun hatte, mich meiner Haut zu wehren, blieb mir der Ausgang des Duells zunächst verborgen.
Hin und her wogte die Schlacht. Alles drehte sich im Kreise wie ein Wirbel aus menschlichen Körpern. Inzwischen sah die Lage für uns so gut wie hoffnungslos aus. Doch da kam uns ein glücklicher Zufall zu Hilfe: Umslopogaas brach – sei es aus Zufall oder Absicht – aus dem Ring der Kämpfenden aus und griff einen Krieger an, der ein paar Schritte abseits von den übrigen Kämpfenden stand. Im selben Moment kam von hinten ein anderer Masai herbeigeeilt und warf mit aller Kraft seinen langen Speer auf den Rücken des Zulu. Der Speer traf mit lautem Klirren auf das Kettenhemd und sprang wirkungslos zurück. Einen Augenblick lang stand der Mann bewegungslos da und starrte mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen auf Umslopogaas Rücken – Rüstungen oder schützende Kleidung war bei diesen Stämmen etwas völlig Unbekanntes. Dann schrie er mit gellender Stimme, so laut er konnte:
»Es sind Teufel – verhext – sie sind verhext!« Von Panik ergriffen warf er seinen Speer fort und rannte davon. Ich stoppte seinen Lauf schnell mit einer Kugel, und Umslopogaas zertrümmerte seinem Gegner den Schädel, und da griff Panik auch auf die anderen über.
»Verhext, verhext!« schrien sie und stoben wie die Furien in alle Richtungen davon. Völlig demoralisiert warfen die meisten von ihnen noch während des Laufens ihre Schilde und Speere auf die Erde.
Auf der letzten Szene dieser fürchterlichen Schlacht brauche ich nicht zu verweilen. Es war ein gewaltiges, blutiges Gemetzel, bei dem auf keiner Seite Pardon gegeben wurde. Ein Ereignis jedoch möchte ich noch genauer schildern: Gerade als ich hoffte, daß nun endlich alles vorbei wäre, kroch plötzlich unter einem Berg von Leichen ein unverletzter Masai hervor, der sich dort versteckt hatte. Er sprang wie eine Gazelle über die Sterbenden und Toten hinweg und kam schnell wie der Wind den Kraal hinaufgerannt zu der Stelle, an der ich mich gerade befand. Aber er war nicht allein; auf seinen Fersen eilte, in der ihm eigentümlichen, schwalbenartigen Bewegung Umslopogaas heran, und als sie sich mir näherten, erkannte ich in dem Masai den Boten aus der vergangenen Nacht. Als er merkte, daß sein Verfolger, so sehr er auch rannte, immer mehr an Boden gewann, hielt der Mann an und wirbelte herum, um sich dem Kampfe zu stellen. Umslopogaas blieb ebenfalls stehen.
»Ha, ha«, rief er in spöttischem Ton dem Elmoran zu, »du warst es doch, mit dem ich in der vergangenen Nacht gesprochen habe – der Lygonany! Der Herold! Der Bursche, der kleine Mädchen entführt! Der so tapfer ein kleines Kind umbringen wollte! Und du hofftest, Auge in Auge Umslopogaas gegenüberzustehen, einem Induna aus dem Stamme der Maquilisini, vom Volke der Amazulu? Schau, deine Hoffnung hat sich erfüllt! Und ich schwor, dir deine Glieder einzeln abzuhacken! Du räudiger Hund! Gib acht, ich mache
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