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Allan Quatermain

Allan Quatermain

Titel: Allan Quatermain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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einmal aus Gründen des Anstands, und zum zweiten, weil ich befürchtete, daß sie es als Beleidigung auffassen könnte. Aber zu meiner großen Erleichterung tat sie das nicht. Im Gegenteil; sie warf einen kurzen Blick über die Schulter, und als sie sah, daß ihr Mann oder ihr Bruder, oder wer auch immer er sein mochte, anderweitig beschäftigt war, warf sie ihm prompt eine Kußhand zurück.
    »Aha!« sagte ich. »Es sieht ganz so aus, als ob wir nun doch eine Sprache gefunden hätten, die das Volk dieses Landes versteht.«
    »Wenn das so ist«, frozzelte Sir Henry, »dann haben wir ja in Good einen unschätzbar wertvollen Dolmetscher.«
    Ich runzelte die Stirn, denn ich billigte Goods Frivolitäten ganz und gar nicht. Das weiß er auch, und ich lenkte die Unterhaltung wieder auf ernstere Themen. »Es ist völlig klar«, sagte ich, »daß der Mann in Kürze mit einer ganzen Schar seiner Gefährten zurückkommen wird. Wir sollten uns Gedanken darüber machen, wie wir sie empfangen wollen.«
    »Ich glaube, die Frage lautet eher: Wie werden sie uns empfangen?« wandte Sir Henry ein.
    Was Good anbetraf, so sagte er überhaupt nichts dazu. Statt dessen zog er einen kleinen, quadratischen Blechkoffer hervor, der uns schon während unserer ganzen Wanderung, unter einem Haufen Gepäck verborgen, begleitet hatte. Wir hatten uns schon oft mit Good wegen dieses Blechkoffers herumgezankt, insbesondere, weil er ziemlich sperrig war und uns ständig beim Transport unseres Gepäcks behindert hatte. Er hatte nie eine klare Antwort über den Inhalt dieses Koffers gegeben. Er hatte jedoch immer darauf bestanden, ihn mitzunehmen, wobei er jedesmal geheimnisvoll angedeutet hatte, daß er sich eines Tages noch als äußerst nützlich erweisen könne.
    »Was in aller Welt tust du da, Good?« fragte Sir Henry.
    »Was ich da tue? Ich ziehe mich natürlich um! Ihr glaubt doch nicht im Ernst, daß ich mich bei einem neuentdeckten Volk in diesen Klamotten vorstelle, oder?« Er deutete mit einer Geste auf seine schmutzigen, abgewetzten Kleider, die indessen, wie alle Kleidungsstücke von Good, äußerst ordentlich und an zerrissenen Stellen peinlich sauber geflickt waren.
    Wir sagten nichts weiter, sondern verfolgten statt dessen sein Vorgehen mit atemlosem Interesse. Als erstes beauftragte er Alphonse, der in solchen Dingen äußerst kompetent war, sein Haar und seinen Bart nach der neuesten Mode zurechtzustutzen. Ich glaube, wenn er heißes Wasser und ein Stück Seife zur Hand gehabt hätte, dann hätte er gar den letzteren abrasiert; aber leider war das nicht der Fall. Als dies geschehen war, schlug er uns allen Ernstes vor, das Segel des Kanus zu reffen und ein Bad zu nehmen. Das taten wir auch, zum großen Erstaunen und Entsetzen von Alphonse, der die Hände über dem Kopf zusammenschlug und feststellte, daß die Engländer schon verrückte Leute wären. Umslopogaas, der wie die meisten Zulus von hoher Herkunft und guter Erziehung äußerst reinlich war, was seine Person anbetraf, hatte indessen keine Lust, im See herumzuschwimmen, und betrachtete das ganze Theater mit milder Belustigung. Erfrischt von dem kühlen Naß kletterten wir wieder in das Kanu und setzten uns zum Trocknen in die Sonne. Während Good seinen Blechkoffer öffnete und zu unser aller Verblüffung als erstes ein sauberes, blütenweißes Hemd hervorholte. Es sah ganz so aus, als käme es frisch aus einer Londoner Dampfreinigung. Als nächstes tauchten mehrere Kleidungsstücke auf. Sie waren zuerst in braunes, dann in weißes, und schließlich in Silberpapier eingewickelt. Wir beobachteten das Auspacken mit größtem Interesse und atemloser Spannung. Mit größter Sorgfalt öffnete Good eine Hülle nach der anderen und ließ die Pracht, die sich in ihrem Innern verbarg, offen zutage treten. Dann faltete er sorgsam jeden einzelnen Bogen Papier wieder zusammen und legte ihn zurück in den Koffer. Und was glaubt Ihr, verehrter Leser, was da vor uns lag? Vor uns in dem Kanu lag in ihrer ganzen majestätischen Pracht, im Glanze ihrer goldenen Schulterstücke, Tressen, Borten und Knöpfe – die Paradeuniform eines Fregattenkapitäns der Royal Navy, komplett mit Galadegen, Dreispitz, Lackstiefeln und allem Drum und Dran! Uns verschlug es buchstäblich den Atem!
    »Was?« riefen Sir Henry und ich fast gleichzeitig. »Was? Willst du das etwa anziehen?«
    »Natürlich«, antwortete Good gefaßt; »wie ihr wissen solltet, hängt ungeheuer viel vom ersten Eindruck ab. Besonders

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