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Allawa

Allawa

Titel: Allawa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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nachwackelte, wenn ich aufstand, mir zuliebe auch ein paar Löffelvoll geschabten Apfel aß, Krankenmilch mit Honig trank, alles, was ich bestimmte. Dann zum Sofa zurück. Ich gab ihm einen Namen, um ihn fester an die Erde zu binden: Mel, das Honigmännchen.
    Drei Tage und Nächte Wärmehülle gegen Kältehauch, dann wurde er lebhafter. Ich wagte noch keine Unterbrechung durch eine Spitalfahrt, ließ ihn nur mit meiner Hand spielen, rief zwei Meter weit entfernt »Mel ?« , lobte, streichelte behutsam. Nach dem Fasten - vor allem Baumrindenpulver, Honig und Milch — wuchs nun sein Appetit. Als ich am siebten Tag zu ihm ins Zimmer zurückkam, hatte er meinem Lieblingsteppich eine Franse entrissen: glücklichster Augenblick, seine Genesung stand fest.
    Natürlich hatte er seinerseits, wenn auch scheinbar schlafend, an unserer Hülle gewoben, ich war jetzt gründlich damit umwickelt. Wie sich wieder trennen? Er war vor seiner Krankheit schon verkauft worden. Hoffen wir, daß die Leute einen gesünderen Hund vorziehen. Die ärztliche Behandlung war noch lange nicht zu Ende, drei Wochen Gnadenfrist. Inzwischen fiel ihm sein Nasenfell aus, das schwarze Leder darunter wurde grünlich von Salbe, die Zähne verfärbten sich braun; einen so häßlichen Hund konnten die doch nicht haben wollen.
    Aber engelhaft hübsch im Vergleich zu einem Bull-mastiff. Das natürliche, ebenmäßige Jagdhundgesicht, der alte Goldene Schnitt, faltenlos, aller Ausdruck nur in den glänzenden Augen unter sanfter Stirn. Der ganze honigfarbene Körper wirkte harmonisch, sehr edel. Ich rätselte daran herum, wie durch Rassenzucht Schönheit entsteht — warum? Was ist es denn, was man einem solchen Hund von weitem ansieht? Was heißt edel? Und warum wirkte Primus nicht edel, der kleine Allawa auch nicht, das sehe ich durchaus, obwohl ich diese Grobiane liebe? Aber Mel persönlich liebte ich, weil wir uns verwickelt hatten. Seltsam, fast auf den Tag gleich alt wie Allawa.
    Ob es seine Natur oder die Folge seiner Krankenzeit war, er hing wie ein mehrjähriger Hund an mir; keine Befehle, Verbote, keine Leine, überall neben mir, seine ruhigen Augen auf mir, wenn er nicht zu meinen Füßen schlief. Ich übernachtete sogar mit ihm in einem Hotel, ging zum Essen: er wartete friedlich im fremden Zimmer, kaum drei Monate alt. Unmöglicher Gedanke, ihn zu verpflanzen; diese Leute würden nie seine ganze, erste Liebe bekommen.
    Ich schilderte ihnen die Lage, bittender, als sonst meine Art war. Sie bestanden kurzweg auf ihrem Recht, ich hatte ihn abzuliefern. Dort drückte er sich an meine Knie, weil er fühlte, daß ich Abschied nahm. Und ich hätte ihn gern weggetragen, weil ich wußte, daß er im Keller schlafen sollte. Schauerlicher Verrat, nach der vorgetäuschten Umhüllung.

    Dieser Katzenjammer, dieses Hundeelend. Meine Mutter hatte das aus eigener Zuneigung zu unserem Honigmännchen vorausgesehen und mir vorgeschlagen, sie gleich am nächsten Morgen auf vier Tage in unser altes Bergdorf zu fahren. Die Vorbereitungen lenkten mich kaum ab (was macht er jetzt, weint er) und auch nicht das Hotel und die Freunde (versteht man ihn, überanstrengt man ihn nicht, hat er richtig gefrühstückt).
    Diese Art von Kummer, Hundekummer, hatte ich noch nie erlebt, und bitte nie wieder. Jede andre Art, wenn es sein soll, alles, was zugeteilt oder eigenhändig eingebrockt wird, nur nie wieder diesen zerfressenden Verrat. Die Sorgen um Einzelheiten waren der kleinere Teil, Muttersorgen, nun gut, man übertreibt ja auch leicht, und ich habe fünfzig Ratschläge gegeben, die nächsten fünfzig können sie sich bei mir holen. Aber der Verrat.
    Plötzlich fiel mir ein, daß mein Vater den Ausdruck »von Verrat entstellt« gebraucht hatte, als wir Primus zur Geflügelkur fortschickten. Trotz allem Schweren, das er erlebt hatte, empfand er Pimis Verbannung als besonders schwer: man war ein Gott für den Hund gewesen, jetzt leidet man als Mensch, den ein Verrat entstellt. Damals war ich noch zu dumm, drehte mich in meinen oberflächlichen Gefühlen.
    Regelrechte Gewissensübelkeit. Man tut das Richtige nach menschlicher Einsicht, begeht aber damit Verrat. Der kleine Beteiligte versteht nichts von allem, nur den Verrat. Er hatte sich zum Leben entschlossen, weil ich ihm vorgaukelte, daß es unser gemeinsames Leben sein sollte — dabei war er schon verkauft. Sitzt in einem fremden Keller, honigfarben. Nichts zu erklären. Man kann auch nicht wie bei einem Kind denken, zum

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