Alle Familien sind verkorkst
Gespräch in eine etwas andere Richtung. »Wade, tut es weh, wenn Dad dich verprügelt? Ich bin noch nie richtig geschlagen worden.«
Wade fiel es schwer, sich vorzustellen, niemals geschlagen worden zu sein. »Ob es wehtut? Hm. Darüber hab ich mir noch nie Gedanken gemacht. Ich schätze schon. Aber wenn Dad mich schlägt, will er mir ja nicht äußerlich wehtun, sondern innerlich. Er hält sich für den Größten, und das will er mir zu verstehen geben.« Der Beutel war inzwischen mit so viel warmer, gasiger Luft gefüllt, dass er fast abhob. »Hey es ist so weit.« Aller Augen waren auf den Ballon geheftet, der wenige Zentimeter über der Einfahrt schwebte.
»Lass ihn los«, sagte Sarah.
Wade ließ den Ballon in die Luft steigen. Lautlos und elegant schaukelte er empor. Der Wind wehte gerade stark genug aus westlicher Richtung, dass er ihn zum Capilano River und hinüber nach North Vancouver tragen konnte. Die drei rannten zum oberen Ende der Straße. Sarah hatte ihr Fernglas dabei, um ihn im Auge zu behalten.
»Ich wette, er fliegt ganz bis nach North Vancouver«, sagte Bryan.
»Unwahrscheinlich«, sagte Sarah, die angehende Aeronautik-Expertin. »Der Treibstoff wird höchstens eine Viertelstunde brennen.«
»Was, wenn er im Wald landet?«, fragte Bryan.
»Tja, dann«, sagte Wade, »landet er eben im Wald.«
»Aber der Wald ist völlig ausgetrocknet. Der Ballon könnte einen Waldbrand verursachen.«
»Bryan, hör auf, uns den Spaß zu verderben.«
Ein Auto näherte sich von hinten - Janet in dem Kombi. Sie hielt neben ihnen. »He, Leute - was macht ihr da?«
»Wir haben einen Ballon gebaut«, sagte Sarah. »Jetzt beobachten wir, wo er hinfliegt.«
»Was seid ihr bloß alle klug.«
Sarah fragte: »Hast du Brause dabei, Mom?«
»Brause? Ich denke schon.« Sie langte hinter sich und zog drei Dosen Ginger Ale aus einer Tasche.
»Bryan«, sagte Sarah, »die nimmst du, ja?«
Janet fuhr wieder los. Ihre letzten Worte waren: »Heute Abend gibt's Hamburger vom Grill. Seid schön brav.«
Sobald sie außer Hörweite war, sagte Sarah: »O-oh. Ich glaube, ich hab die letzten Grillanzünder als Ballontreibstoff benutzt.«
»Keine Panik«, sagte Wade. »Ich werd sagen, ich hätte sie genommen.«
Bryan öffnete die Ginger-Ale-Dosen und reichte sie herum. Die drei saßen da, während der Ballon davon geweht wurde, und schauten abwechselnd durch das Fernglas. »Er sinkt«, sagte Sarah.
»Nein, tut er nicht«, sagte Wade. »Lass mich mal sehen.« Er nahm das Fernglas. »Oh - er sinkt tatsächlich.«
»Wo?«, fragte Bryan.
»Unten in Glenmore. In der Nähe der Schule.«
»Gib her, Wade.« Sarah griff nach dem Fernglas, und Wade ließ los. »Uff. Du hast Recht.« Sie beobachtete, wie der Ballon sich auf ein Grundstück senkte. »O-oh ...«
»Was?«
»Er wird auf dem Haus der Beattys aufsetzen.«
Wade schnappte sich das Fernglas. »Oh, Kacke.«
Der Ballon landete auf dem schindelgedeckten Dach eines eingeschossigen Hauses, welches rasch Feuer fing. Sarah sagte, sie sollten die Feuerwehr rufen, aber Wade meinte, es sei besser zu warten, ein Typ, der bei den Beattys nebenan wohnte, spritze bereits mit einem Schlauch ihr Dach ab, und Passanten seien stehen geblieben, um zuzuschauen. Dann hörten sie Sirenen, das Feuer schien quer über das Dach unter die Schindeln gewandert zu sein und zuckte zur rechten Seite heraus wie eine Katzenzunge. Dann, wuuusch, stand das gesamte Dach in Flammen, die Feuerwehrwagen trafen ein, und ein Riesenspektakel nahm seinen Lauf.
»Wir sitzen ganz tief in der Scheiße«, sagte Wade.
»Ich hab euch ja gesagt, er könnte einen Brand verursachen«, sagte Bryan.
»Na und, Bryan«, sagte Sarah, »Unfälle passieren nun mal.« Sie ließ das Fernglas sinken, und sie sahen zu, wie eine kleine Windhose aus Rauch von dem Haus unten am Berg aufstieg. »Glaubst du, sie werden drauf kommen, dass wir das waren?«
Eine Antwort erübrigte sich, denn Mrs. Breznek von gegenüber trat in ihrer Schürze auf die Straße, sah das Feuer, drehte sich dann um und begann die drei Kinder anzuschreien. »Ihr kleinen Monster! Für wen zum Teufel haltet ihr euch? Ich rufe sofort die Polizei an. Für diesen Streich werdet ihr eine anständige Tracht Prügel beziehen. Und ins Gefängnis kommen.«
»Schieben Sie sich Ihr Gefängnis in den Arsch«, sagte Wade. Mrs. Breznek schnaubte angewidert.
»Wade -«, kicherte Sarah.
»Wie kannst du bloß kichern?«, fragte Bryan.
Wade sagte: »Halt die Klappe, du
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