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Alle Familien sind verkorkst

Alle Familien sind verkorkst

Titel: Alle Familien sind verkorkst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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hast.«
    »Was ist damit?«
    »Contergan. Ich schätze, die nimmt Mom gegen ihre Aphthen.«
    »Was ist daran so erstaunlich?«
    »Du weißt nicht, was Contergan ist?«
    »Nein.«
    »Das ist dieses Medikament, das Schwangere Anfang der 60er gegen Morgenübelkeit genommen haben - doch es stellte sich heraus, dass das Zeug schwere Missbildungen bei Babys verursachte - auch Totgeburten und spontane Abgänge. Deswegen hat Sarah nur eine Hand. Hat Bryan dir das nicht erzählt? Warte - lass mich mal sehen ...« Wade griff nach der Flasche, aber aus Shws Gesicht war alles Blut gewichen. »Was ist los?«
    Shw nahm eine volle Evian-Plastikflasche und begann Wade mit voller Wucht auf den Kopf und ins Gesicht zu schlagen. »Du Vollidiot - du hast mich dieses Dreckszeug anfassen lassen? Hast du den Verstand verloren? Wie konntest du mir das antun?«
    Wade wehrte die Schläge ab, die für jemanden von Shws Größe erstaunlich kraftvoll waren. »Ich wusste doch gar nicht, dass das da drin ist, bis du es mir gezeigt hast. Scheiße. Hör auf damit.« Wade riss ihr die Flasche aus der Hand; Shw zitterte. Sie rannte in die Duschkabine, sprang komplett bekleidet hinein und drehte die Brause voll auf.
    Wade fragte: »Was soll denn das?«
    »Ich spül mir diesen Mist ab.«
    »Es war in Blasenfolie verpackt. Du bist gar nicht damit in Berührung gekommen.« Plötzlich ging ihm ein Licht auf: »He, ich dachte, du wolltest abtreiben.«
    »Tja, vielleicht auch nicht.«
    »Also gut.« Wade fegte die Sachen von der Konsole in den Reisekoffer seiner Mutter und sagte: »Sag Bescheid, wenn du fertig bist. Ich bin unten im Wagen.«
    Shw blieb noch fünf Minuten unter der Dusche und kam dann heraus, aber nur, weil das heiße Wasser ausgegangen war. Der Schießstand war eine halbe Meile entfernt, und Shw, pudelnass, schwieg während der Fahrt. Als er sie absetzte, sagte sie: »Ich bin heute echt unausstehlich. Danke fürs Mitnehmen.«

8
    An einem heißen, sonnigen Augustnachmittag des Jahres 1973 sagte Wade zu Bryan: »Nicht das Plastik anfassen, Bryan. Du machst es bloß kaputt.«
    »Wade, sei nett zu Bryan. Er will doch nur helfen.« Sarah wandte sich Bryan zu: »Trotzdem, Bryan, fass nichts an, okay? Denn du machst es wahrscheinlich wirklich kaputt.«
    »Vielleicht sollte ich einfach gehen.«
    »Geh nicht«, sagte Sarah. »Fass einfach nichts an, ja?«
    Die drei standen mit einem Haufen gefundener Plastik-Kleiderschutzhüllen und verbogener Drahtbügel draußen auf der glühend heißen Einfahrt. Sie hatten sich vorgenommen, einen Heißluftballon zu basteln, indem sie die Tüten zu einem großen, federleichten Kondom zusammenklebten, an dessen unterem Ende ein Metallring angebracht war. In der Mitte des Rings steckte ein Drahtkreuz, auf dem ein mit weißen Grillanzünder-Steinchen bestückter Miracle-Whip-Deckel befestigt war. Sarah wirkte wie ein winziger Farn zwischen ihren beiden Mammutbaum-Brüdern - obwohl Bryan sogar noch jünger war als sie -, aber sie war definitiv diejenige, die das Sagen hatte.
    »Ich hab Durst«, sagte Bryan.
    Wade sah ihn an: »Bryan, ich habe einen Kratzt-mich-das?-Messer in der Hand, und die Nadel schlägt nicht aus. Halt die Klappe.«
    »Wir holen uns nachher eine Limonade«, sagte Sarah. »Wir sind fast klar zum Abheben.«
    Wade hielt den hauchdünnen Plastikballon fest. Sarah zündete mit einem Bic-Feuerzeug den Treibstoff an. »Es wird eine Minute dauern, bis der Ballon voll mit heißer Luft ist«, sagte sie, dann stand sie auf und schaute zu.
    »Er sieht aus wie ein großer Dildo«, sagte Wade, während der Ballon sich mit Luft zu füllen begann, die viel heißer war als die des Augustnachmittags.
    »Was ist ein Dildo?«, fragte Bryan.
    Sarah sah Wade an. »Für so was ist er noch zu klein, Wade.«
    »Was, du weißt, was ein Dildo ist?« »Natürlich weiß ich das.« »Was ist es denn?«
    »Es ist die Plastiknachbildung eines Männerschwanzes, den Frauen benutzen, wenn sie allein sind.«
    »Was meinst du mit ›benutzen ‹ ?«, fragte Wade.
    »Du weißt genau, was ich mit ›benutzen ‹ meine, Wade. Und jetzt wird Bryan das Wort vermutlich in Gegenwart von Mom oder Dad sagen - und höchstwahrscheinlich auch noch falsch -, und dann bist du derjenige, der in der Scheiße sitzt.«
    »Nein, Bryan ist derjenige, der sich immer in die Scheiße reitet.«
    »Bin ich nicht, Wade. Dad verprügelt dich viel öfter als mich. Und außerdem bin ich kein Baby. Ich bin zwei Jahre jünger als Sarah.«
    Sarah lenkte das

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