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Alle Familien sind verkorkst

Alle Familien sind verkorkst

Titel: Alle Familien sind verkorkst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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zusätzliche Pillen gegen Übelkeit nehmen. Dann würde er seine Kredithaie anrufen und um Aufschub bitten. Mit denen zu verhandeln schien ihm gefahrloser, als sich mit seinem Vater und seinem Bruder herumzuschlagen.
    Ihr Wagen war anscheinend der einzige auf den sauberen weißen Fahrbahnen, frei von jeder noch so schwachen Reifenspur. Allein Ted, der schlecht drauf war, weil er nichts gegessen hatte und weit länger mit jungen Leuten zusammen sein musste, als ihm lieb war, schmälerte dieses Vergnügen.
    Streitlustig sagte er: »Nur dass ich das richtig verstehe, Wade: Ihr beide werdet ein Kind bekommen, obwohl du jeden Tag sterben kannst.«
    Jedem anderen wäre Wade am die Gurgel gegangen und hätte ihn erwürgt. Aber angesichts der Tatsache, dass es sich hier um seinen Vater handelte, bereute Wade nur, dass er von der Schwangerschaft erzählt hatte. »Dad, so schnell werde ich nicht sterben, und Beth ist negativ, ebenso wie das Kind. Es ist alles in Ordnung.«
    »Ja, klar.«
    »Okay. Dann sei eben ein Arschloch. Mir doch egal. Du kannst mich an dem Zahlschalter da vorn rauslassen und dem Jackpot, der dir den Arsch gerettet hätte, auf Wiedersehen sagen.«
    »Beruhige dich. Herrgott noch mal. Gib mir fünfzig Cent.«
    Wade wühlte in seinen Taschen nach Münzen. Er spürte, wie in Bryan die Eifersucht auf das Kind pulsierte, das Wade erwartete und das nicht abgetrieben werden würde. »Bryan, du könntest auch mal in deinen Taschen nachsehen.« Er schaute sich um: Bryan hatte Prinz Williams Brief aus seiner Plexiglas-Schutzhülle genommen und streichelte ihn.
    »Mensch, Bryan, steck den Brief wieder in die Tüte! Wie kommst du bloß dazu, die zu öffnen?«
    »Ich wollte nur mal das Papier berühren. Ist das so schlimm?«
    Bryan schob den Brief wieder in die Tüte und machte einen schwachen Versuch, Geld in seinen Taschen zu finden. Der Wagen hielt am Schalter, sie zahlten und fuhren durch.
    Wade sah seinen Vater an. Das Licht im Auto war hart, und plötzlich bemerkte er in seinem Gesicht eine Zerfurchtheit, die er vorher nicht wahrgenommen hatte. Er wusste, dass sein eigenes Gesicht in dieser Beleuchtung eingefallen und leidend aussah. »Also, Dad, du denkst ernsthaft, dass ich nächste Woche tot bin, ja?«
    »Äh - nein . Meine Güte. Tut mir Leid, dass ich überhaupt davon angefangen habe. Ich finde nur, du hättest mal darüber nachdenken können, wer sich in ein paar Jahren um das Kind kümmern wird.«
    » In ein paar Jahren.«
    »Ja.«
    » Ein paar Jahre, was heißt das - fünf? Zwanzig?« »Ich weiß nicht. Zwei?«
    »Aha , da hätten wir also eine konkrete Zahl. Du glaubst, dass ich in zwei Jahren tot sein werde.« »Äh, ja. Ist das ein Verbrechen?« »Halt an.«
    »Sei doch nicht so melodramatisch. Vielleicht bist du nicht in zwei Jahren tot. Dann hab ich Unrecht, und du stirbst nicht. Na toll.«
    »Halt verdammt noch mal an, hab ich gesagt!«
    Bryan grunzte auf dem Rücksitz.
    Wade steckte sich den Zeigefinger in den Mund, zog ihn mit glitzernder Spitze wieder heraus und streckte ihn seinem Vater entgegen. »Halt an.«
    »Sei kein Idiot, Wade.«
    »Halt an, oder ich berühre dich - und dabei stecke ich dich wahrscheinlich an.«
    Wade sah eine Ader auf Teds Stirn hervorquellen. Er wedelte mit seinem Finger noch dichter vor Teds Gesicht herum. »Halt an ... Dad.«
    Wade berührte die Wange seines Vaters. Ted schrie auf und trat auf die Bremse, wodurch der Wagen einen Satz zur Seite machte und sich quer zur Fahrbahn stellte. Ein Quietschen ertönte, das Knirschen von Schotter, und dann vollführte der Wagen einen astreinen doppelten Überschlag wie in einer Polizeiserie aus den 70ern. Er flog über eine niedrige Leitplanke und landete unterhalb einer Böschung in einem Gestrüpp aus scharfkantigen, wilden, piksigen Gräsern. Der Motor schnurrte immer noch ruhig vor sich hin. Eine Straßenkarte flatterte von der Decke herunter auf die Mittelkonsole. Draußen war alles still; der leere Freeway war ebenso außer Sichtweite wie auch aus dem Sinn. Alles war genauso wie vor ein paar Minuten und zugleich vollkommen anders.
    Die drei saßen still, als könnte die kleinste Bewegung die Wucht des Geschehens reaktivieren. Sie fluchten und schauten sich langsam um. Bryan begann zu johlen: »O Mann, Dad - das ist das Grauenhafteste, was du je verbrochen hast. Du bist grandios*. Du bist der Größte]«
    Es war unmöglich, den Wagen hoch und auf die Straße zu bekommen. Der rechte Vorderreifen versank im Rand eines

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