Alle Familien sind verkorkst
sah nicht ein, wieso das nötig sein sollte.
Die Polizisten sagten zu Helena: »Wenn wir einfach hineingehen könnten, Ma'am -«
Helena antwortete nicht.
»Ma'am? Bitte.«
»Nein. Es gefällt mir hier draußen. Ich werde mich auf diese Stufe setzen und das Wetter genießen.«
Die halbwüchsigen Söhne der Familie Kim waren draußen auf ihrer Veranda und beobachteten, wie sich die Dinge entwickelten. Rasch war ein Fernglas zur Stelle. Auch die Paynes wichen keinen Schritt von ihrem Ausguck.
Helena sagte: »Wenn in der Sonne sitzen und die Natur genießen ein Verbrechen ist, bekenne ich mich schuldig. Verhaften Sie mich. Andernfalls lassen Sie mich in Ruhe. Janet bitte sag diesen Leuten, sie sollen dein Grundstück verlassen.«
Janet und Nickie nippten an ihren Drinks. Janet fuhr fort: »Die Cops versuchten an ihre Vernunft zu apellieren, aber es war nun mal keine vernünftige Situation, und es kam nichts dabei heraus. Die Kinder der Kims hatten inzwischen per Handy ihre Freunde herbeitelefoniert, und plötzlich standen aus heiterem Himmel etwa ein Dutzend halbwüchsiger Jungs auf der anderen Straßenseite und gafften. Einer von ihnen filmte das Geschehen mit einem Camcorder. Es kam mir vor wie unter Wasser oder in einem Traum. Die Polizistin erklärte Helena, sie werde sie verhaften müssen, und Helena antwortete: ›Okay. ‹ Ich meine, die Beamten haben sich ein Bein ausgerissen, um ihr jede erdenkliche Chance zu bieten, ihr Gesicht zu wahren, aber nein.«
»Ei-jei-jei.«
»Ich weiß. Also versuchte die Polizistin, Helena Handschellen anzulegen, Helena verlor die Nerven und versuchte sie zu beißen, der Typ kam seiner Kollegin zu Hilfe, Helenas Titten flogen umher, und plötzlich fing sie an, ›Hilfe, ich werde vergewaltigt ‹ zu schreien. Ich stand bloß völlig entgeistert daneben. Dann merkte sie, dass ich keine Anstalten machte, den Polizisten Einhalt zu gebieten, und sie begann mir die übelsten Beschimpfungen an den Kopf zu werfen. Wenn man Söhne im Teenageralter hat, gewöhnt man sich daran, beschimpft zu werden - aber plötzlich fing sie davon an, dass ...«
»Was?«
»Sie fing plötzlich davon an, dass sie eine Affäre mit meinem Vater gehabt hatte - jahrzehntelang, wie sich herausstellte. Ich habe ihr nicht geglaubt, aber es ist erstaunlich, wie viele Namen, Daten und Orte eine Verrückte von sich geben kann, während sie versucht, sich der Verhaftung zu entziehen - eine lange Liste von Wos und Wanns - außerdem, wo meine Mutter sich aufgehalten hatte, während die Rendezvous stattfanden - und am schlimmsten: sie warf mir Dinge an den Kopf, die mein Vater über mich gesagt hatte.«
»Au weia.«
»Ich kann dir nicht beschreiben, wie ich mich gefühlt habe. Es gibt einfach keine Worte dafür. Und dann beteiligten sich auch noch die Teenager an dem Stiertreiben - wie in Pamplona. Es war Oktober - auf dem Rasen lag noch Tau. So eine Sauerei.«
Das ist alles deine Schuld, Janet Drummond. Du hast dein Geschlecht verraten. Du hast deine Familie verraten und mich, deine einzige wahre Freundin. Du bist eine alte Schreckschraube. Du bist vertrocknet. Das hat dein Vater über dich gesagt - du bist eine vertrocknete, moralinsaure Schreckschraube, die einem jeden Spaß verderben kann.
»Es dauerte ein paar Minuten, bis sie Helena in den Streifenwagen verfrachtet hatten, und ich war sehr erleichtert, dass die Fenster hochgekurbelt waren und ich ihre wüsten Beschimpfungen nicht mehr hören konnte. Die Cops fuhren los, die Nachbarn verdrückten sich, und da stand ich nun vor meiner Haustür. Mein Leben würde nie wieder so sein wie vorher, und ich stand einfach bloß vor meiner Tür. Es war so furchtbar, dass ich Krämpfe bekam.«
Janet leerte ihr Glas. »Ich bin gleich total betrunken. Wir sollten zurück ins Hotel fahren.« Sie holte ihre Karte raus, um zu zahlen. »Weißt du, nachdem Helena den Verstand verloren hatte, war die Scheidung nur noch eine Lappalie. Sie hat mir längst nicht so viel ausgemacht, wie es nach außen hin schien. Wir hätten vermutlich gar nicht erst heiraten sollen. Man lernt nie aus.« Sie zahlte. »Wollen wir gehen?«
Sie fuhren zurück ins Hotel, und beide schliefen auf dem großen Doppelbett ein. Bei Sonnenuntergang wurden sie durch ein adrett von ihrem Fenster eingerahmtes Feuerwerk aus ihrem leichten Rausch geweckt: grellrosa und weiße Chrysanthemen, die erblühten und wieder verwelkten.
Nickie sagte: »So wachen bestimmt reiche Leute auf - mit einem Feuerwerk. Ich
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