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Alle Familien sind verkorkst

Alle Familien sind verkorkst

Titel: Alle Familien sind verkorkst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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wette, es gibt Feuerwerke speziell für Reiche, die wir nie zu sehen bekommen - und die bei Tageslicht funktionieren.«
    Janet konnte sich einen kurzen Augenblick lang nicht erinnern, wo sie war und warum, aber dann fielen ihr wieder die Ereignisse vom Morgen ein. Meine Kinder, wo sind sie? Wie jedes Mal, wenn sie aufwachte, hakte sie eins nach dem anderen ab: Die Jungs waren noch nicht aus Disney World zurück. Sarah war in Cape Canaveral.
    Die zwei Frauen waren von dem morgendlichen Überfall immer noch leicht geschockt. Sie sahen zu, wie die allgegenwärtigen fetten und blöden Feuerameisen sich gegen die Fenster des sechsundzwanzigsten Stocks warfen. Was wollen die?
    »Was glaubst du, wie es dich verändert hat?«, fragte Nickie.
    »Der Raubüberfall?«
    »Nein - als du herausgefunden hast, dass Au ... es hast.«
    »Es? Ach - bei mir brauchst du wirklich nicht um den heißen Brei herumzureden, Nickie. Sag HIV.« Janet berührte die Narbe, die die Schusswunde auf ihrem Brustkorb hinterlassen hatte. »Wie es war? Anfangs wie wohl bei jedem: Das kann nicht wahr sein. Das muss ein Fehler sein. Die verwechseln mich mit jemandem. Und dann dachte ich: Moment mal! Die Wissenschaft wird mich retten! Und das hat sie - in gewisser Weise. Und jetzt bin ich überzeugt, dass die Wissenschaft die Krankheit überhaupt erst in die Welt gesetzt hat. Das waren ein paar Spinner von der UNESCO, die in Afrika aus pürierten Affenhirnen Impfstoffe hergestellt haben. Die ganze Wahrheit werden wir nie erfahren. Ich meine, AIDS kriegt man als kanadische Hausfrau über sechzig einfach nicht. Insgeheim nenne ich es auch gar nicht AIDS, sondern Kongolesische Affenhirnpartikel.«
    Die Ameisen machten Geräusche, als sie gegen die Fenster prallten - wie Katzenpfötchen. »Und als ich mich vom ersten Schreck erholt hatte, dachte ich mir: Uuh - vielleicht gehöre ich zu diesen Einer-von-Hundert-Menschen, in deren DNS ein natürliches HIV-Antigen steckt - falls es solche Menschen überhaupt gibt.« »Erzähl weiter.«
    »Ach, Scheibenkleister - ich weiß auch nicht. Ich hab versucht, wissenschaftlich an die Sache heranzugehen. Ich habe mich über Impfversuche und Kombinationstherapien informiert - vor allem im Internet.«
    »Meine Mutter hat immer ›Scheibenkleister ‹ gesagt.«
    »Sie ist vermutlich meine Altersgruppe.«
    »Stimmt.«
    Janet lächelte. »Einmal bin ich sogar runter nach Mexiko geflogen - mit Betty, einer Freundin aus meinem Buchclub. Sie hatte die Hashimoto-Krankheit und eine Form von Kehlkopfkrebs. Wir haben versucht, Laetrile aufzutreiben dieses Medikament aus den 70ern, das aus Pfirsichkernen hergestellt wurde.«
    »Daran erinnere ich mich noch dunkel.«
    »Was für ein Schmu. Das Zeug hat Steve McQueen umgebracht. Betty ist tot. Die einzige Option, die ich noch nicht probiert habe, sind Kristalle. In dem Moment, wo man beginnt, sich Kristalle aufs Brustbein zu packen, ist es ganz aus.«
    »Aber ich glaube, du hast meine Frage nicht beantwortet. Wie hast du dich innerlich verändert?«
    Janet seufzte. »Lass mich nachdenken. Das hat mich noch niemand gefragt.« Wie habe ich mich verändert? »Weißt du was? Die größte Veränderung ist, dass ich aufgehört habe, an die Zukunft zu glauben - das heißt, ich stelle mir die Zukunft nicht mehr als einen Ort wie Paris oder Australien vor - einen Ort, an den man sich begeben kann. Inzwischen denke ich, wir alle sind die ganze Zeit unterwegs, ohne dass am Ende irgendein Ort liegt. Wir gehen einfach immer weiter. Das ist alles.«
    »Gibst du manchmal Wade die Schuld? Oder mir?«
    »Wade? Er hat sich vor mich gestellt, um mich vor Ted zu schützen. Wie könnte ich ihm einen Vorwurf machen? Ob ich dir die Schuld gebe? Nein. Ted ist der Idiot. Inzwischen denke ich, dass Schuldzuweisungen nur was für denkfaule Menschen sind, die nur so dem Chaos einen Sinn verleihen können.« »Wie meinst du das?«
    »Nehmen wir an, dir passiert etwas Seltsames oder Unerwartetes, zum Beispiel, eine umstürzende Zeder zerquetscht deine Katze oder du wirst bei einem Überfall auf ein Billig-Diner als Geisel genommen - oder Mrs. Drummond kriegt durch eine Kugel, die die Leber ihres Sohnes durchschlagen hat, Aids - ich könnte den Baumpflegern vorhalten, dass sie mir nicht empfohlen haben, die Zeder zu beschneiden. Ich könnte dem Justizsystem Floridas die Schuld an - ich weiß nicht - irgendwas geben. Oder ich könnte sagen, dass die Kugel die göttliche Strafe dafür war, dass ich mich nicht intensiv

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