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Alle jagen John Mulligan

Alle jagen John Mulligan

Titel: Alle jagen John Mulligan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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verlangt, ans andere Bein, das hilft jedesmal - wenigstens bis das wieder heil ist. Es sind ja Soldaten genug hier, die es ihm umschließen könnten.«
    »Zum Henker auch«, rief der Oberaufseher, »ich glaube, der Bursche drückt sich nur von der Arbeit und spielt den Lahmen. Auf, mein Herz, das hilft dir bei mir nichts.« Mit diesen Worten zog er ihm ein paar tüchtige Peitschenhiebe über. Rotkopf krümmte sich unter den Schlägen und versuchte dem Befehl nachzukommen, indem er sich aufrichten wollte, aber es ging nicht. Er vermochte nicht auf den Beinen zu stehen, brach wieder zusammen und fiel gegen einen Baum, an dem er sich die Stirn blutig riß.
    »Wenn Euer Gnaden befehlen«, sagte John demütig, »so trag ich ihn lieber den Hang hinunter. Mein Bein ist auch wund, aber einer der Herren Soldaten hilft mir vielleicht. Der arme Teufel hält's so nicht aus.«
    »Ich will selbst sehen, was an der Wunde ist«, sagte der Oberaufseher trotzig, obgleich ihn der letzte Fall des Gefangenen stutzig gemacht hatte. »Man darf euch Schuften ja gar nicht mehr glauben, denn ihr betrügt und hintergeht uns auf jede Weise. Da leg dich hin, Roter! - Hast du's gehört, oder soll ich dich beweglich machen?«
    Rotkopf kroch zu der ihm bezeichneten Stelle, und der Oberaufseher nahm seinen Schlüssel heraus, winkte zweien der Soldaten, die näher herankamen und neben ihnen stehenblieben, und beugte sich dann nieder, den angeblichen Schaden des Gefangenen zu untersuchen.
    John war ungemein geschäftig, ihn darin zu unterstützen; er schob einen Steinblock zurecht, auf dem sich der Herr Oberaufseher bequem niederlassen konnte. Nachdem er Rotkopf dann etwas weiter vor und sein rechtes Bein dabei in die Höhe gehoben hatte, daß der Beamte es bequem erreichen konnte, stemmte er das eigene darunter und stützte sich mit dem rechten Arm auf den Boden.
    Der Beamte öffnete vorsichtig das Schloß der Kette, und der Gefangene stöhnte und winselte dazu; während aber die Kette oben klirrte, preßte unten John Mulligan in wahrer Todesangst das breite Eisen, das seinen eigenen Knöchel fest umspannt hielt. Heimlich in der Nacht, seit langen, langen Monden, hatte er mit einem Stückchen Feile, das er sich zu verschaffen gewußt hatte, an diesem Ring gefeilt - oft nur ein oder zwei Striche die ganze Nacht, weil er nicht wagen durfte, die Wächter durch das Geräusch aufmerksam zu machen. Die angefeilte Stelle war zuletzt so dünn, daß er glaubte, das Eisen werde dem geringsten Druck nachgeben; ja, er vermied, noch mehr daran zu arbeiten, weil ihm die Kette sonst am Ende vor dem richtigen Moment vom Fuß abfallen konnte. Jetzt nun, im entscheidenden Augenblick, während er den Kameraden mit dem einen Arm angeblich unterstützte, preßte seine andere Hand unten gegen das fast völlig durchgefeilte Eisen, daß ihm das Blut unter den Nägeln vorzuspritzen drohte - aber vergebens.
    »Na - jetzt paß auf und halt ihn fest«, sagte der Beamte, während er das Schloß aufbog und das Eisen von dem Bein des Gefangenen herunterfallen ließ. »wo ist denn nun die schreckliche Wunde? - Aber halt, Kamerad, erst wollen wir dir den hübschen Ring doch lieber um den anderen Knöchel legen, nachher können wir uns den hier mit Muße besehen.«
    »Hat nichts zu sagen, Sir«, stöhnte John. »Der läuft nicht davon.«
    »Wenn du um deine Meinung befragt wirst, magst du antworten. Laß das Bein einmal los und heb das andere herauf. Was zum Teufel? - Wie siehst du denn aus? Du hast ja einen Kopf wie ein Krebs so rot - herauf mit dem Bein.«
    »Aye, aye, Sir!« rief John, und die Verzweiflung gab ihm Riesenkräfte. - Noch ein Moment, und ihr ganzer Plan war, vielleicht für immer, vereitelt. Doch wie er noch einmal seine Finger über den eisernen Ring preßte, fühlte er, daß sich dieser unter seinem Griff bog.
    »Nun, wird's bald?« rief der Aufseher.
    »Einen Moment, Sir - ich bin mit meinen Ketten hier unten hängengeblieben - mach es gleich wieder los.«
    Er ließ das angeblich wunde Bein Rotkopfs herunter, und während er jetzt auch mit der anderen Hand nach seiner Kette faßte, brach der breite Ring unter seinem Griff wie Glas entzwei. Im Nu hatte er ihn gepackt und aufgebogen, wenn auch die scharfe Kante ihm die Finger blutig riß, und der Aufseher, dem diese plötzliche Bewegung nicht entgangen war, rief erstaunt aus.
    »Alle Wetter, was machst denn du da, mein Junge?«
    »Ich kuriere mein Bein, Sir!« sagte John lachend, während Rotkopf mit Blitzesschnelle

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