Alle lieben Peter
ergriffen sofort die Flucht und beobachteten die Exekution aus voller Deckung. Darauf Rückmarsch in den Gasthof mit einem empörten kleinen Löwen an der Leine, dem sich seine Kumpane naserümpfend fernhielten.
Beflügelt von der Unterhaltung mit dem blonden Mädchen, fand ich alles entzückend: die Dunghaufen, die Brunnen vor jedem dritten Haus (woraus ich andererseits hätte entnehmen können, daß es — zumindest in diesem Ortsteil — keine Wasserleitung gab), die tiefen Hofeinfahrten, die alten blechernen Handwerkszeichen über den Schuster-, Schneider-, Sattler- und Spenglerläden. Die Leute gingen so friedlich und geruhsam darin umher, sanften und gefälligen Charakters offenbar.
Beim Mittagessen im Gasthof waren wir wieder mit dem strengen Spitzbart-Ehepaar allein. Vorsichtshalber band ich diesmal alle drei Hunde an Stuhlbeine. Sie nahmen es mit melancholischer Verachtung hin, gähnten erst in alle Richtungen und begannen dann alle drei, sich gleichzeitig zu jucken. Es hörte überhaupt nicht auf. Mit verzerrten Lefzen schabten sie sich die Flanken, bohrten sich in den Ohren, wüteten unter ihren Armhöhlen und schlugen mit den Hinterkeulen einen Trommelwirbel. Es klang wie im Zirkus beim Trapezakt, wenn die Musik verstummt, die Leute Genickschmerzen vom Hinaufsehen kriegen und nur noch die Trommeln schnurren, damit man weiß, daß jetzt der berühmte Doppelsalto kommt. Spitzbarts unterbrachen ihr Menü und schauten steinernen Gesichts auf meinen dreizylindrigen Flohmotor.
»Was haben sie denn bloß?« flüsterte die Mama. »Das ist ja entsetzlich!«
»Von Lux übergestiegen!« flüsterte ich zurück. »Das sind die Dorfflöhe, zähe, ausgehungerte Burschen, die nach ihrer ewigen Schäferhunddiät jetzt endlich mal in frischem Stadthund schwelgen können!«
Wirt Kretzschmer kam und setzte sich zu uns an den Tisch. Ich lobte den Ort und seine Bewohner über alle Maßen. Er zeigte sich nur leicht gerührt, beobachtete derweilen die Hunde und warf einen besorgten Blick auf die Spitzbarts, die jeder ein Pülverchen genommen und sich schweigend in ihr Beefsteak vertieft hatten.
»Na, Ihren Verein da hat’s ja ordentlich erwischt!« sagte Kretzschmer.
Ich kniff ein Auge zu: »Nervöses Hautjucken — hahaha!«
»Ich habe da so ‘n Pulver«, sagte Herr Kretzschmer.
Ich schlug ihm auf die Schulter: »Wie wär’s mit einem Schnäpschen für uns beide? Pulver habe ich auch, mache ich gleich nachher. Kennen Sie den Witz von den beiden Flöhen, die aus dem Kino kommen: Der eine fragt den anderen: >Gehen wir zu Fuß oder nehmen wir ‘nen Hund?< Haha, wahnsinnig komisch, nicht wahr?«
Er ließ mich allein lachen und winkte nur der Bedienung, die zwei Schnäpse brachte.
»Und kennen Sie den anderen?« fragte ich, nachdem wir sie gekippt hatten. »Der eine Floh sagt zum anderen: >Du, ich hab’ im Toto gewettet. Wenn ich gewinne, kauf’ ich mir ‘nen eigenen Hund!< Köstlich, was?«
»Ja, köstlich«, sagte er mechanisch. »Was haben Sie denn nun vor, wollen Sie hierbleiben?«
Die Spitzbarts standen seufzend auf und gingen hinaus. »Sie kriegen noch den Nachtisch!« rief die Bedienerin und stellte zwei daumennagelgroße Puddings in knallroter Soße hin.
»Nein, danke«, sagte der Spitzbart, »wir haben keinen Appetit mehr.«
»Wissen Sie, mein lieber Herr Kretzschmer«, sagte ich, »ich habe da — haha — ein reizendes junges blondes Mädchen kennengelernt, die Tochter vom Meiler-Hof. Das ist da ganz weit draußen. Wie heißen denn die Leute?«
»Kajetan«, sagte Herr Kretzschmer. »Nehmen Sie noch einen?«
»Natürlich, mein Lieber, natürlich, auf einem Bein allein kann man ja nicht stehen, nicht wahr?« Die Mama sah mich ängstlich an. Ich fühlte, wie sie ausrechnete, daß wir für die vier Steinhäger schon ein gemeinsames Mittagessen hätten.
»Ja, eventuell ziehe ich auf die Dauer zu den Kajetans«, sagte ich. »Wie sind denn die Leute?«
»Hm...«, meinte Kretzschmer.
»Na, das ist fein«, sagte ich, »wir werden uns schon vertragen. So, Mamachen, ich denke, wir gehen erst mal hinauf und behandeln unsere armen drei hier mit Pulver, und dann machen wir einen Spaziergang zu den Kajetans. Ohne Hunde natürlich.«
Auf dem Zimmer panierten wir die drei mit Flohpulver, stellten ihnen Wasser hin und wanderten dann zum Meiler-Hof. Er lag oben am Hang, mit drei anderen Höfen zusammen, deren Vorderfronten ein offenes Rechteck bildeten. Vor jedem Hof stand ein Brunnen mit einer hölzernen Rinne,
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