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alle luegen

Titel: alle luegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Castaldo
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reicht’s.« Meine Beine waren achtzig Pfund schwer und ich hatte Durst.
    »Nein«, widersprach er. »Du musst noch fünf machen, um auf zehn zu kommen. Du musst streng mit dir sein.« Er hockte sich neben die Bank, sodass er mit mir auf Augenhöhe war. Ich lag auf dem Bauch, eine Wange auf das klebrige Polster gepresst. »Nur noch fünf. Du musst.«
    »Muss ich?«, fragte ich, amüsiert, dass Christian das Training so ernst nahm. Plötzlich kam mir die Vision einer Volvo-Fabrik voller Christian-Klone. Alle waren blond und feist von einer Diät aus Rollmöpsen und Köttbullar. »Okay, du zählst.«
    Er lächelte und tätschelte mir den Kopf Er zählte jede Wiederholung mit, bis er die Einheit mit einem triumphierenden »Zehn« beendete.
    Wir blieben noch etwa eine Stunde lang und wanderten von Gerät zu Gerät, bis Christian schweißüberströmt war und ich taube Glieder hatte. Christian redete die ganze Zeit über Körperfett, Ernährung und Energieriegel. Bei so viel Sport hätte man erwarten können, dass er eher wie
    Charles Atlas statt wie ein verhätschelter Europäer mit Babyspeck aussehen würde. Als ich ihn fragte, wieso er noch rauchte, erklärte er, er sei eigentlich Nichtraucher - die Zigaretten wären nur Show. Während ich darauf wartete, dass er sein Bankdrücken beendete, sah ich zwei ganz schön fitten Frauen auf dem Stepper zu. Sie machten einen sehr entschlossenen Eindruck.
    »Komm«, sagte Christian, während er sich die Stirn mit dem Handtuch abtrocknete. »Jetzt relaxen wir.«
    Das war die erste gute Idee für heute. Ich folgte ihm durch einen langen, schwach beleuchteten Flur an den Spinden vorbei bis zu einer Tür, auf der »Herrensauna« stand. Bevor ich irgendetwas sagen konnte, war er drin und wieder draußen. Die Aufregung war ihm ins Gesicht geschrieben. »Alles okay«, sagte er mit leuchtenden Augen. Er begann, mitten im Flur sein Hemd auszuziehen. »Ja«, murmelte er, mehr zu sich selbst als zu mir. »Alles okay.«
    »Was ist okay?«
    Er stieß ein begeistertes Quieken aus. »Alles okay. Ich weiß einen Trick.« Er zog das Schild aus der Halterung und ersetzte es durch ein anderes aus seiner Tasche. Darauf stand: »Wegen Reinigungsarbeiten vorübergehend geschlossen. Bitte entschuldigen Sie die Unanneemlichkeit.« Unannehmlichkeit war falsch geschrieben.
    »Komm«, sagte er. »Schneller.« Er trug jetzt nur noch seine Shorts. Sein Bauch quoll über das Gummiband der Hose wie Buttercreme aus einer Torte. Voller Angst, dass uns jemand sehen könnte, blickte ich den Flur entlang. Ich hasste solche heimlichen Aktionen.
    »Lass den Scheiß«, meckerte ich.
    »Bitte«, bettelte er. »Ich bin ein braver Junge.« Er lachte, zog die Tür auf und gab mir einen winzigen Kuss auf die Nase, während uns eine heiße Dampfwolke ins Gesicht schlug. Er sagte etwas auf Schwedisch, nahm sich ein Handtuch und ließ die Tür los. Krachend fiel sie zu. Ich stand allein im Korridor und betrachtete Christians Tasche, die er in einen Wäscheschrank gestopft hatte. Vielleicht hatte er Recht. Vielleicht war ich prüde. Einen Moment lang stand ich, die Hand an der Tür, einfach nur da. Der Gedanke, dass ich nicht gegen meine erzkatholische Erziehung ankam, gefiel mir nicht. Schließlich wickelte ich mir ein Hand-
    tuch um die Hüften und zog mit einem Ruck die Tür auf. Christian, der mit über dem Kopf verschränkten Armen und vorquellender Wampe auf einer Holzbank saß, war kaum zu sehen. Ich trat versehentlich auf seine Shorts, die als leuchtend rotes Bündel auf dem Boden lagen.
    Er setzte sich auf. Seine Haut hatte die Farbe eines Hummers. »Du trägst dein Top?«
    »Dachtest du, dass ich im Flur einen Strip hinlege?«
    Er kicherte. »Aber du ziehst dich aus?«
    »Ich ziehe mich aus.«
    »Du wirst nackt sein?«
    »Ja«, erwiderte ich. »Wenn ich meine Klamotten ausziehe.«
    Er lächelte bei dem Gedanken.
    »Dreh dich um oder so.«
    »Ich mach die Augen zu.«
    Ich drehte ihm den Rücken zu und schälte mich aus meinen Sachen.
    »Okay«, sagte ich, als ich mich auf einer Bank ausstreckte und meine Haare entwirrte. »Ich bin fertig.«
    Christian setzte sich wieder auf. »Aber das Handtuch«, nörgelte er. »Du bist nicht nackt.«
    »Du auch nicht.« Er hatte sich ebenfalls ein Handtuch um die Taille geschlungen.
    Darüber schien er einen Moment lang nachzudenken, dann lehnte er sich wieder an die Wand. Der Dampf drang zischend durch unsichtbare Löcher und füllte die winzige Kammer. Das Holz unter mir war ganz

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