alle luegen
Drecksäcke.«
Er schnaubte und winkte mich vorbei.
Kyle sah fern, fast ohne Ton. Er hatte einen Stapel Kissen im Rücken. Sein Gesicht war lila verfärbt. Um sein rechtes Auge prangte ein gigantisches Veilchen. Ein weißes Pflaster klebte auf seiner Stirn. Seine gegipsten Arme waren vor seiner Brust verschränkt wie die Flügel eines Brathähnchens. Ich zuckte innerlich zusammen. Es musste höllisch wehtun.
Als Kyle mich sah, lächelte er strahlend, als hätte man ihm gerade mitgeteilt, dass er im Lotto gewonnen hatte. Wenigstens hatte er nicht auch noch Zähne verloren. Ich zog einen Stuhl an sein Bett. Niemand hatte ihm Blumen gebracht; der trostlose Raum hatte keine Fenster. Stattdessen war eine helle, summende Neonlampe mit einem Draht an der Decke befestigt.
»Niedlich, das Nachthemd, das du da anhast«, begann ich.
»Ja«, sagte er. Seine Stimme war flach, als hätte jemand die Lautstärke runtergedreht. »Vielleicht darf ich es ja behalten.«
Ich lachte.
»Ja, ich weiß«, zickte er. »Es ist verdammt lächerlich.«
»Tut mir Leid.« Er hatte Recht: Es war nicht lustig.
Er seufzte. »Hast du ’ne Zigarette?«
»Nein.«
»Die lassen mich hier nicht rauchen.«
»Du bist in einem Krankenhaus, nicht in einer Kneipe.«
»Scheiß drauf.«
»Nörgel nicht rum.«
»Würdest du auch, wenn deine Arme gebrochen wären.«
»Tut mir Leid«, sagte ich wieder und nahm seine demolierten Hände. Dann betrachtete ich wieder sein Gesicht; ein Auge war blutunterlaufen, das andere zugeschwollen. Ich wollte zur Sache kommen - wieso man ihn so fertig gemacht hatte und ob das hier irgendwas mit Yassi zu tun hatte. »Was ist passiert?«
Kyle holte tief Luft und begann zu erzählen. »Ich war in irgendso’nem Laden bei meiner Wohnung um die Ecke und hab mich mit ’ner wahrlich anbetungswürdigen Kuba-Maus unterhalten. Dann kommt so’n Typ vorbei und sagt, ich soll abhauen, weil Inez - so heißt sie - seine Frau oder was auch immer ist. Ich hab ihm gesagt, dass er sich verpissen soll.« Kyle ließ sich in seinen Kissenstapel zurücksinken. »Er nervte aber weiter, bis ich ihm ... ein Bierglas in die Fresse geschleudert habe.« Kyle hielt einen Moment inne und versuchte, sich zu kratzen. »Plötzlich ist diese Inez ganz lieb zu mir. Wir fummeln ein bisschen rum.« Er grinste bei dem Gedanken. »Dann muss sie weg, weil sie noch eine Kusine oder so was abholen soll. Also trinke ich noch ein paar Bierchen, esse was und hau auch ab.« Er hustete ein paar Mal, bevor er zum vorhersehbaren Ende kam. »Und plötzlich hab ich halb Havanna am Sack, ein Haufen Zwerge, die mit Rohren auf mich einschlagen und dabei kreischen wie blöd.« Kyles Stimme wurde rau. »Wahrscheinlich hab ich was auf den Schädel gekriegt, denn plötzlich wach ich in diesem Scheißladen auf und bin high von Demerol.« Er runzelte die Stirn. »Sie haben mir den Hahn echt nach dem ersten Kick wieder abgedreht.«
Ich hatte schon Hunderte von diesen Storys gehört, sie ihm aber eigentlich nie abgenommen. Und ich wusste auch jetzt nicht, ob ich ihm glauben sollte.
»Was ist mit Yassi?«
»Was soll mit Yassi sein? Ich habe die Alte seit zwei Wochen nicht mehr gesehen.«
»Ich hab sie vor ein paar Tagen getroffen.« Ich machte eine Pause, um zu sehen, ob Kyles Miene sich veränderte. »Nachdem du mich in diese Konditorei gelockt hast.« Ihm war keine Regung anzumerken.
»Was wollte sie denn?«
»Sie hatte eine Pistole«, sagte ich, selbst überrascht über meine seltsame Stimme. Allein der Gedanke daran machte mich wütend. »Sie sagte, ich sollte den Mund halten.«
»Die hat sie ja nicht alle.« Er tat so, als sähe er fern, obwohl das Bild vor Schnee beinahe nicht zu sehen war.
»Du solltest ein bisschen Reue zeigen, schließlich hast du mich in diesen Mist mit reingezogen.«
»Tut mir Leid.«
»Das kam sehr überzeugend«, zischte ich. Sein Desinteresse machte mich nur noch wütender. »Willst du nicht hören, was sie gesagt hat?«
»Eigentlich nicht.« Kyle sah mich kraftlos an. Das half mir auch nicht weiter. »Was erwartest du denn von mir?«
»Ich weiß nicht«, gab ich zu.
»Okay«, seufzte er. »Erzähl mir, was sie gesagt hat.«
»Sie meinte, dass du in Schwierigkeiten stecken würdest.«
»Ich stecke immer in Schwierigkeiten.«
Das war eine Tatsache. Die Frage war nur, welche Größenordnung von Schwierigkeiten.
»Aber hier geht es um was anderes«, sagte ich. Ich hörte mich an wie ein Psychiater.
»Inwiefern?«
»Diesmal ist es
Weitere Kostenlose Bücher