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Hangerman irgendwann mal etwas über Olsen gesagt?«
»Eigentlich nicht.«
»War er eifersüchtig?«
»Auf Christian?«
Jacob nickte. Er beugte sich über den Tisch und sah mich aufmerksam an. Ich spürte, wie ich rot wurde - das passierte mir nur ganz selten.
»Er meinte, er wäre es, aber ...«
»Wundert Sie das}«
»Nicht wirklich«, antwortete ich. »Kyle ist auf jeden eifersüchtig.« Sobald die Worte heraus waren, wollte ich sie schon zurücknehmen. Sie klangen vollkommen falsch.
»Wir kennen seine Strafakte. Das meiste ist Kinderkram.«
Ich nickte. Ich konnte Jacob nichts Neues erzählen. Blieb die Frage, ob er mir etwas verheimlichte.
»Wie lange kennen Sie ihn?«, fragte er und sah mich ernst an. »Elfjahre.«
»Hat er Sie je bedroht?«
»Nein.«
»Jemanden, den Sie kennen?«
»Nein«, sagte ich zögernd. Kyle wetterte ständig über jemanden, aber das war eben Kyle. Es lag wohl in seiner Natur.
»Sie scheinen sich nicht so sicher zu sein.«
»Na ja.« Ich fühlte mich bemüßigt, die Wahrheit zu sagen. »Irgendwie doch.«
»Was soll das heißen?«
»Wissen Sie, Kyle ist eben so!«
Er schüttelte den Kopf. »Tut mir Leid, weiß ich nicht.«
»Kyle redet viel.«
»Worüber?«
»Über das, was er alles machen will.«
»Zum Beispiel?«
»Ich weiß nicht.« Ich seufzte. »Dummes Zeug ...«
»Wie zum Beispiel?«
»Wie zum Beispiel Dinge, die ich ihm nicht abnehme.«
»Aber ich vielleicht.«
»Was - Sie vielleicht?«, fragte ich.
»Ich könnte sie ihm vielleicht abnehmen.«
»Das sollten Sie aber nicht.«
»Und warum nicht?«
»Weil Kyle unglaublich von sich selbst eingenommen ist.«
»In welcher Hinsicht?«
»Wenn er etwas sagt, ist es ... wie eine Kundgebung.«
»Erklären Sie das genauer«, bat Jacob und beugte sich noch weiter zu mir. Ich konnte einen Hauch Pfefferminz in seinem Atem wahrnehmen. »Hat er je etwas in Bezug auf Olsen kundgegeben?«
Ich nickte langsam. Jetzt konnte ich nicht mehr zurück.
»Was war es?«
»Er sagte, er würde Christian eins überziehen, wenn der mich nerven würde.«
Jacob sah mich an. »Haben Sie ihm das geglaubt?«
»Nein«, entgegnete ich. »Würden Sie?«
»Das kommt drauf an«, sagte Jacob.
»Worauf?«
»Ob noch jemand anderes so was kundgegeben hat.« Jacob ließ sich gegen die Lehne zurückfallen.
Inzwischen fühlte auch ich mich wie eine Mörderin - als hätte ich Kyle ein Dutzend Mal in den Rücken geschossen. Ich rieb mir das Gesicht. Es fühlte sich taub an. »Sie glauben also, dass es Kyle war?«
»Schwer zu sagen«, antwortete er und strich sich seine Locken zurück. »Ich werde ihn nicht festnehmen, wenn es das ist, was Sie meinen. Jedenfalls noch nicht. In der Zwischenzeit habe ich einen Mann vor seiner Tür postiert.«
Ich nickte. Jetzt wusste ich, was der Cop im Krankenhaus zu suchen hatte.
»Es tut mir Leid«, sagte er.
»Danke.«
»Nicht wegen Hangerman.«
»Warum dann?«
»Weil ich Sie so aufgeregt habe.«
Es war nett von ihm so zu tun, als würde er sich Gedanken über mich machen. »Schon okay.«
Er nickte. »Falls Ihnen noch etwas einfällt, rufen Sie mich bitte an.«
Im nächsten Moment war er aufgestanden und bereits auf dem Weg zur Tür.
»Moment.«
Er hatte die Hand schon auf dem Türknauf liegen. »Ja?«
»Was haben Sie am Flughafen gemacht?«
»Gearbeitet«, antwortete er.
»Warum haben Sie mich angesprochen?«
»Was denken Sie denn?« Er lächelte. Offenbar fand er mich amüsant.
»Sie haben mich beobachtet. Bestimmt wegen meiner Verbindung zu Christian?«
Er schüttelte den Kopf. »Nicht nur.«
»Wieso dann?«
»Tut mir Leid«, gab er zurück. »Streng vertraulich.« Er öffnete die Tür. »Eins noch.« Er warf einen Blick auf die Wandteller in Carmis Flur. »Ich sage es wirklich ungern, aber ... Sie dürfen ab sofort die Stadt nicht verlassen.«
Als Jacob weg war, trank ich die Weinflasche aus, die Jan und ich aufgemacht hatten, und grübelte über die Dinge nach, die ich Jacob eben erzählt hatte. Ich hatte eindeutig ein schlechtes Gewissen. Die Art und Weise, wie Jacob seine Fragen formuliert hatte, seine Miene ... alles hatte darauf abgezielt, mir Informationen über Kyle zu entlocken - Gutes und Schlechtes, einschließlich der vollkommen überdrehten Kleinigkeiten, die ich nie ernst genommen hatte. Und nun fühlte ich mich, als hätte ich ihn begraben. Immer wieder rief ich mir in Erinnerung, dass es nicht meine Schuld war - wenn Kyle nicht immer so sorglos wäre ... wenn er sich
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