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einmal um seine eigenen Angelegenheiten kümmern und sein Gehirn einschalten würde - dann wäre nichts von all dem passiert. Und ich hatte noch immer keine Ahnung, wie tief er wirklich drinsteckte. Ich wollte noch immer lieber glauben, dass es sich bloß um einen Haufen Zufälle handelte. Schließlich gab es noch genügend andere zwielichtige Gestalten, die man überprüfen konnte.
Jan rief mich ziemlich spät an. Ich war beinahe schon eingeschlafen. Wir sprachen nicht lange. Er wollte sich vergewissern, dass mit mir alles in Ordnung war und dass der Cop mich nicht noch zusätzlich deprimiert hatte. Nach der Geräuschkulisse im Hintergrund zu schließen befand sich Jan gerade in einer Kneipe - ich hörte laute Stimmen und Musik. Als wir uns verabschiedeten, hätte ich schwören können, dass er sagte, er liebe mich. Aber vielleicht träumte ich auch schon.
27
Am nächsten Morgen quälte ich mich aus dem Bett, um mich direkt auf den Weg ins Krankenhaus zu machen. Vielleicht war es das schlechte Gewissen, weil ich Jacob so viel erzählt hatte. Vielleicht war es aber auch, weil ich mich, wie Jan gemeint hatte, in etwas verrannte. Ich hatte das dumpfe Gefühl, dass mir irgendwas entging. Ich musste Kyle dazu bringen, mir die Wahrheit zu sagen, selbst wenn es den ganzen Tag dauern sollte. Am liebsten wäre ich wegen Yassi auf ihn losgegangen. Dass sie so eine Psychopathin war, hatte er mir nicht gesagt. Als ich bei Kyles Zimmer ankam, saß ein anderer Cop draußen vor der Tür. Er machte sich nicht die Mühe, mich unterschreiben zu lassen, blickte nur kurz auf und kümmerte sich weiter um sein Kreuzworträtsel.
Kyle saß wieder gegen seinen Kissenstapel gelehnt. Ein Buch lag auf seinen spitzen Knien. Er sah bereits etwas besser aus. Die Schwellung um das eine Auge war zurückgegangen. Die Hämatome verblassten. Er schien auf dem Weg der Besserung zu sein. Als ich mir einen Stuhl an sein Bett zog, lächelte er säuerlich. »Hi, Honey«, begrüßte ich ihn. »Da bin ich wieder.«
»Ja«, sagte er. »Und ich war mir schon sicher, dass du mich für immer hast sitzen lassen.«
Beinahe wäre mir rausgerutscht, dass ich mir da auch schon sicher gewesen war. Aber ich wollte die Sache lieber etwas behutsamer angehen. Ich hatte ihm drei Bücher aus Carmis Sammlung mitgebracht. »Hier«, sagte ich und ließ sie aufs Bett fallen. »Zu deiner geistigen Erbauung.«
Kyle überflog die Titel. »Das ist ja alles Japsen-Scheiß.«
»Schon«, antwortete ich. »Aber auf Englisch.«
Kyle sah mich genervt an. »Hättest du mir nicht wenigstens irgendwas Cooles mitbringen können?«
»Versuch’s doch erst mal.«
»Versuch du es doch erst mal.«
»Hab ich schon.« Ich verriet Kyle nicht, dass sie mir nicht besonders gut gefallen hatten.
»Leg sie da rein«, befahl er und deutete mit der Nase auf ein
Schränkchen, in dessen Innerem sich noch mehr, noch seltsamer betitelte Bücher befanden.
»Der Letzte, der hier lag, ist abgekratzt«, sagte Kyle.
»Wie tröstlich«, antwortete ich.
Die meisten Bücher waren, wie ich sah, aus dem Serbokroatischen übersetzt worden.
»Niemand hat die Dinger abholen wollen.«
»Glück für dich.«
»Er war Professor.«
»So sieht’s aus.«
»Er hatte Krebs«, sagte Kyle.
»Woher weißt du das alles?«
»Der Krankenpfleger.«
»Oh.« Ich hatte eigentlich keine Lust, Einzelheiten zu erfahren.
Ich setzte mich neben das Bett. Nach Smalltalk stand mir nicht der Sinn. »Yassi ist mir gestern gefolgt und in Carmis Wohnung eingebrochen«, sagte ich. »Mit irgendeinem Fettsack.«
»Du meinst Ari?«, fragte er und blinzelte. »Ihren Cousin?«
»Ich weiß nicht, wer das war«, antwortete ich. »Aber er hatte eine Waffe dabei.«
»Der Typ stinkt«, kicherte Kyle. »Wie ein Arschloch.«
»Und wenn schon«, gab ich zurück. »Hörst du mir eigentlich zu?«
Er seufzte. »Ja. Ich hör dir zu.«
»Und?«
»Was und?«, sagte er. »Ich hab’s dir doch schon gesagt: Yassi hat sie nicht alle, aber sie tut dir nichts. Sie bläst sich nur immer tierisch auf.«
Bläst sich auf. Mir hätte gleich klar sein sollen, dass von Kyle keine Hilfe zu erwarten war. Er konnte ohnehin nichts unternehmen.
»Halt dich von ihr fern«, gähnte Kyle.
»Es wäre schön, wenn sie sich von mir fernhalten würde«, stellte ich klar. Langsam machte Kyle mich wütend. »Warum sagst du ihr das nicht?«
»Würde ich ja«, sagte Kyle. »Wenn sie mal herkäme und mich besuchen würde.«
»Wo wir gerade bei Besuchen sind.
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