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'Alle meine Kinder'

'Alle meine Kinder'

Titel: 'Alle meine Kinder' Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fay Greene
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seinen mageren Hals nach oben, in Erwartung eines Kusses, den er auch bekam.

24
    »Hat Ihr Programm einen Namen?«, fragte ein Vertreter des kebele .
    »Mein Programm?«, fragte sie verwirrt, nicht ganz sicher, was er meinte.
    »Nun ja, Sie betreiben jetzt ein Kinderheim. Es wäre gut, wenn Sie ihm einen Namen geben würden.«
    Also gab sie ihm einen Namen: Atetegeb Worku Metasebia Welage Aleba Histanet Merj Mahber .
    Der Atetegeb-Worku-Verein zur Unterstützung von Waisen.
    Haregewoin konnte einen zahnlückigen, mageren älteren Mann aus der Nachbarschaft als zabania , Wächter, für ihr Heim gewinnen und bot ihm als Gegenleistung freie Verpflegung und einen Blechverschlag, in dem er schlafen und seine Tücher und sonstigen Besitztümer unterbringen konnte.
    Haregewoin nutzte ihre Erfahrungen aus der Arbeit in der Verwaltung und legte von jedem Kind, das neu eintraf, eine Akte mit allen verfügbaren Daten an. Diese Akten bewahrte sie in chronologischer Reihenfolge in einem Büroschrank auf:
    Männlicher Säugling, drei Monate, in der Churchill-Straße gefunden, von der Polizei gebracht. Hat den Namen Yonas bekommen.
    Neugeborenes Mädchen, auf der Straße gefunden, von der Polizei gebracht. Name Yemisrach.
    Masresha Mesfin, neun, nach dem Tod der Mutter von der Großmutter gebracht; Vater bereits länger tot.
    Esublew Abayneh, acht, Schwester Betelhem, drei, von einem Mitarbeiter des kebele abgeliefert, nachdem man festgestellt hat, dass sie allein sind.
    Mihret Tadesse, zehn, von ihrer Mutter gebracht, die sehr arm und schwer an Aids erkrankt war.
    Zunächst lebten sieben Kinder bei Haregewoin, dann zwölf, dann fünfzehn, dann achtzehn. Es gab inzwischen vier Schlafzimmer: zwei im Haupthaus, zwei im größeren Nebenhaus. Sie ließ einen rostigen Güterwaggon auf ihren Hof schleppen. Nachdem man auf einer Seite eine Tür in die Wand geschnitten hatte, dient er als Esszimmer und Klassenraum für die jüngeren Kinder. Haregewoin schlief im Zimmer der Säuglinge und kleinen Mädchen, ein paar lagen bei ihr im Bett, und im Lauf der Nacht wurden es immer mehr.
    Der Platz an ihrer Seite war für die kleine Menah reserviert, die die Polizei bei ihr abgeliefert hatte. Menah war ein fröhliches Baby und mochte es, vor dem Einschlafen zu schmusen und zu spielen. Umgeben von den warmen Körpern der anderen schlafenden Kinder, sahen sich Menah und Haregewoin in der Dämmerung manchmal in die Augen; dann schloss Haregewoin die Augen und tat so, als wäre sie eingeschlafen, nur um sie unvermittelt wieder aufzureißen. Menah lachte dann laut, ein glucksendes Babylachen. Haregewoin musste sie schnell beruhigen, damit sie nicht die ganze Bande aufweckte, und drückte sie lächelnd fest an sich.
     
    2003 gab es in Äthiopien mehr als eine Million Aids-Waisen. In Haregewoins Haus lebten vierundzwanzig davon, und weitere Kinder waren auf dem Weg dorthin.
    Die fünfjährige Mekdes Asnake wohnte zusammen mit ihrem Großvater Addisu, ihrer Tante Fasika und ihrem kleinen Bruder Yabsira in einer Hütte in einer Hüttensiedlung außerhalb der Stadt. Die Wände bestanden aus Lehm und Stroh, die Fenster waren rechteckige Löcher. Manchmal hatte die Familie Feuerholz; wenn sie keines hatte, war der Aschering der Feuerstelle auf dem Boden schwarz und in der Hütte blieb es kalt. Sie ernährten sich das ganze Jahr über von Eiern.
    Asnake, der verstorbene Vater der Kinder, hatte als Tagelöhner auf einer Kaffeeplantage gearbeitet. Eines Tages, als Mekdes drei oder vier Jahre alt gewesen war und ungeduldig darauf gewartet hatte, dass er nach Hause kam und mit ihr spielte, hatte sie etwas Seltsames beobachtet: Er hatte sich dem Haus genähert, dann hatte er sich plötzlich hingekniet und eine Weile ausgestreckt auf der staubigen Erde gelegen, bevor er wieder aufgestanden und ins Haus gekommen war.
    Später, als ihr Vater krank wurde, glaubte Mekdes, dass er sich die Krankheit an diesem Tag geholt hatte, von dem schmutzigen Boden. In den folgenden Monaten wurde er immer dünner, und in seinen Augen stand ein überraschter Ausdruck. Auf seiner Haut bildeten sich dicke schwarze Blasen, die aufbrachen, und am Tag schrie er vor Schmerz und in der Nacht wimmerte er vor sich hin. Mekdes dachte, er würde wieder gesund werden. Eines Nachts wachte sie erschrocken von den Klagelauten auf, die ihre Mutter Mulu, über den ausgemergelten Körper Asnakes gebeugt, von sich gab.
    Mekdes hatte den Tod von Asnake noch nicht verwunden, als in den Augen ihrer

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