Alle meine Schaefchen
das hübsche kleine Ding mit dem dunklen Haar und den großen Augen?«
»Genau«, bestätigte er. »Ihre Familie hat einen Hof drüben in Clee Sankt Margaret. Aber sag ihm bloß nicht, daß ich dir was erzählt hab’, sonst wird er mir böse sein.«
»Nein, tu’ ich nicht«, versprach sie und saß dann schweigend, um die Nachricht zu verdauen.
»Ich hoffe, daß John und seine Freunde nicht alle Hasen abknallen, egal wie gut Shirley sie in Braten verwandeln kann«, sagte Henry Rawlins besorgt. »Früher gab es viel mehr davon. Es machte Spaß, sie herumhopsen oder Männchen machen zu sehen.«
»Sie sind hinter Tauben her«, beruhigte ich ihn.
»Habt ihr viele Hasen dort oben bei deiner Farm?« fragte Stan Aaron.
Die Stimme des dicken Mannes klang ernst, aber um seine Augen spielte ein verschmitztes Lachen, als er ihm antwortete: »Wir liegen zu hoch für Hasen. Die armen kleinen Teufel vertragen die Höhe nicht, werden ganz kurzatmig, deshalb leben sie lieber unten auf den Höfen, wo das Leben leichter ist. Auf deinem Land, Howard, gibt’s bestimmt ‘ne Menge; hab’ ich recht mit der Annahme?«
»Du kannst annehmen, was du willst«, gab sein Freund schnippisch zurück. »So weit oben liegt dein Hof ja gar nicht. Aber es ist wirklich ein Wunder, daß die dämliche Regierung dir nicht auch noch Subventionen für Hasen und Kaninchen zahlt, wie sie das für die struppigen alten Schrauben tut, die du als Schafe bezeichnest. Ich wette, du bist schurkisch genug, um auch noch davon profitieren zu wollen, wenn du halbwegs die Chance sähest, damit durchzukommen.«
Aaron freute sich über den Effekt, den er mit seiner Stichelei erzielt hatte.
»Aber selbstverständlich würde ich das tun«, rief er und nickte so heftig, daß sein Doppelkinn noch heftig wackelte, nachdem er schon längst zu sprechen aufgehört hatte.
Die Sache kam so richtig schön in Fahrt, bis Henry Rawlins die beiden unterbrach. »Sind lustige Tiere, die Hasen, wißt ihr. Können von hier bis da springen, über drei Meter weit, um ihre Fährte zu verwischen. Das machen sie mehr als nur einmal. Ein Sprung nach dem andern. Nur ein wirklich guter Hund kann einer Hasenfährte folgen.«
Howard hatte interessiert zugehört: »Hast du schon gesehen, wie sie das getan haben?«
»Oft, als ich als Junge draußen rumstrolchte. Hab’ sie sogar schwimmen gesehen, übern breiten Fluß, um die Hunde hinter sich abzuhängen. Sind auch gute Schwimmer.«
»Ich hab’ schon beobachtet, wie sie mit dem Wind gespielt haben, aber ich hab’ sie noch nie so springen oder gar schwimmen sehen«, sagte Stan. »Sie drehen durch im März, wenn sie auf Brautschau sind. Aber in der Beziehung sind sie wohl nicht die einzigen, die ihren Kopf verlieren in der Nähe von Frauen.«
Sein Sohn grinste: »Mutter sagt, du warst ganz schön verrückt, als du hinter ihr her warst.«
Alle lachten. Zunächst blickte der hochgewachsene Mann etwas verlegen drein, dann kicherte er und bestätigte: »Stimmt, sie sagt die Wahrheit, aber ich versichere euch, daß sie schön drauf geachtet hat, daß ich sie auch einholen konnte!«
Ria warf den Kopf zurück und lachte. »Und wie war das bei dir, Aaron, mein Junge?« Die beiden hatten ein Geheimnis miteinander.
Bald darauf zerstreute sich die kleine Gruppe. Aaron hatte drei Jungstiere auf der Auktionsliste für Fleischrinder, und er bat uns, mitzukommen und den Verkauf zu beobachten. Die anderen waren mehr an Schafen interessiert.
»Was ist das?« fragte Stan, als ich den Regenschirm in die Hand nahm.
»Ein Regenschirm.«
»Wozu brauchst du denn den?«
»Nun, zunächst einmal, weil ich keinen wasserdichten Kopf habe«, witzelte ich.
Shirley gesellte sich dazu. »Es ist der Schirm für die City. Er hat Heimweh nach London. Du weißt doch: Regenschirm, Melone und einen dunklen Anzug mit Nadelstreifen. Mein armer Mann läuft damit manchmal auf der Farm herum und versucht sich vorzustellen, er sei wieder in der Großstadt.«
Natürlich stimmte kein Wort davon, aber unsere Freunde waren fasziniert von dem Bild, das Shirley mit ihrer Schilderung heraufbeschworen hatte.
»Sag bloß noch, daß er die anderen Sachen auch anzieht?«
Doch selbst Shirley brachte es nicht fertig, das zu behaupten. Ich habe in meinem Leben weder einen Anzug mit feinen Nadelstreifen noch eine Melone besessen. Aber sie hatte eine glaubwürdige Alternative auf Lager:
»Nein, aber manchmal trägt er einen Smoking, nicht wahr, Lieber?«
In ihrer Geschichte lag ein
Weitere Kostenlose Bücher