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Alle meine Schaefchen

Alle meine Schaefchen

Titel: Alle meine Schaefchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Holgate
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Möglichkeiten in sich.«
    »Oh, ja«, erwiderte er und hob sein Glas. »Alle nur denkbaren Möglichkeiten.«
     
    Charles, der junge Assistent unseres Tierarztes, kam zwei Tage später zu uns, um von allen Milchkühen Blutproben zu entnehmen, bevor die Impfungen in Angriff genommen werden konnten.
    »Diese Kuh hat die Nachgeburt noch nicht ausgeschieden«, berichtete ich ihm. »Werden Sie das machen?«
    Eine unerfreuliche Arbeit.
    Charles war ein sympathischer junger Mann, Anfang zwanzig, bei den Einheimischen sehr beliebt, weil er sich immer gern bereit erklärte, genau zu sagen, was er gerade tat. Jetzt zog er sich bis zur Taille aus, band sich eine Gummischürze vor und begann, mit dem Arm bis zur Schulter in das Innere der Kuh hineinzulangen und dort herumzugraben. Merkwürdigerweise schien das dem Tier nicht sehr viel auszumachen.
    »Das ist alles«, sagte er und ließ den Rest der faulig riechenden Masse in einen Eimer fallen. »Am besten, Sie verbrennen oder vergraben das.«
    Um ganz sicher zu gehen, daß alles herausgeholt worden war, untersuchte er nochmals genau das Innere der Kuh.
    »Nichts mehr drin.«
    John trug den Eimer davon.
    Charles mußte ein Rückgrat aus Stahl haben, oder vielleicht war es einfach seine Jugend. Draußen auf dem Hof wusch er mit dem eisigen Wasser den größten Schmutz ab, und dann ging er — noch immer mit freiem Oberkörper — hinüber in den Melkstall, um mit warmem Wasser nachzuspülen.
    »Ist diese Impfung wirkungsvoll?« fragte ich.
    »O ja, aber es braucht seine Zeit, bis man eine Herde als geschützt akkreditiert bekommt. Wahrscheinlich werden fast zwei Jahre vergehen, bis Sie dafür die offizielle Beglaubigung kriegen.«
    Das war für uns nicht weiter schlimm, denn wir hatten nicht den Ehrgeiz, bevor es Pflicht war, die entsprechenden Urkunden zu gewinnen in bezug auf einwandfreie Gesundheit des Viehbestands. Aber gesunde Kühe und lebende Kälber wollten wir natürlich haben.
    »Das zu erreichen, werden wir schon schaffen« versprach er.
    Am nächsten Morgen fing es an zu tauen. Der weiße Schnee auf unserem Weg verwandelte sich in braunen Matsch, der von den Traktorreifen zerquetscht wurde. Die Felder und Wiesen sahen nicht mehr so aus, als kämen sie gerade frisch aus der Wäscherei, und das Gras wurde wieder sichtbar. Eiszapfen, die von Büschen, Bäumen und Gebäuden herunterhingen, begannen zu schwitzen, und die Tropfen fielen in immer schnellerem Tempo herab. In den Abflußrohren begann es zu brodeln und zu glucksen durch hindurchfließendes Wasser, das hinab zu den Teichen strömte. Wir begrüßten diesen Augenblick, auch wenn das bedeutete, daß wir im Schlamm würden herumstapfen müssen.
    Shirley empfand ebenso wie ich. Sie hatte die Hosenbeine in die Schäfte der Gummistiefel gesteckt, und gemeinsam beobachteten wir, wie das rote Auto des Postboten durch das Tor in Richtung auf unser Haus fuhr.
    »Jetzt weiß ich, warum man feierte, als die Stadt Mafeking befreit wurde«, sagte sie zu mir.
    Der Fahrer drehte ein Seitenfenster herunter und reichte mir ein Bündel, das in erster Linie aus Rechnungen und Broschüren bestand.
    »Sie haben ein paar neue Schlaglöcher auf dem Weg«, berichtete er mir. »Er ist aber noch befahrbar — was ich nicht von allen Zufahrten behaupten kann.«
    »Wir werden sie mit Kies zuschütten«, versprach ich.
    »Was gibt’s Neues?« fragte ihn Shirley.
    Er besaß nicht die gleiche Zurückhaltung wie der Tierarzt, was den Klatsch betraf.
    »Hab’ heute morgen einen Brief von Alfie Morris ausgetragen. Wurde in Birmingham eingesteckt. Sie sind also noch immer dort.«
    »Und Katie?«
    »Keine Briefe. Aber ich hab’ mitgekriegt, daß sie ihre Tochter vor ein paar Tagen abends angerufen haben soll. Hört sich nicht an, als kämen die beiden zurück, aber man weiß ja nie — die Menschen sind merkwürdige Geschöpfe...«
    Geschickt wendete er sein Auto und fuhr davon, wobei die Räder Schneematsch nach beiden Seiten schleuderten.
    »Schade, daß er nicht noch etwas länger bleiben konnte«, meinte Shirley. »Ich hätte gern noch ein wenig mehr über Katie erfahren.«
     

3.

Hasen, Regenschirme und Kühe wie lederbespannte Tische
     
    N ach unseren Erlebnissen als eingeschneite Bauern mußte sich Shirley unbedingt vergewissern, ob die Außenwelt noch existierte und funktionierte. Sie ist eine Anhängerin des warmen Wetters und lebt mit der lauernden Furcht, daß sich über Nacht der Beginn einer neuen Eiszeit heimlich

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