Alle meine Schaefchen
Kaffee oder meines für etwas Stärkeres lehnte er ab.
»Mein nächster Besuch gilt Blacktree, Alfie Morries’ Hof«, erklärte er. »Ärger mit einer kalbenden Kuh.« .
»Kommen die zurecht?« fragte Shirley.
Der große Mann war argwöhnisch. Es bekäme seinem Ruf nicht gut, wenn er Klatsch weitertragen würde. »Sie scheinen zurechtzukommen. Der älteste Sohn Edward bemüht sich, den Betrieb aufrechtzuhalten.«
Alle drei beobachteten wir, wie er mit seinem Auto schlingernd und mit durchdrehenden Rädern den Weg hinaufkurvte. Dann gingen wir ins Haus zurück, um bei einem Kaffee über alles zu sprechen.
»Falls es tatsächlich Bruzellose ist, wo kann Clara sich die aufgehalst haben?« fragte Shirley.
»Sie hatte das wohl schon in sich, als wir sie kauften.«
John stellte seinen Becher ab. »Ein Schnäppchen kann man sie wirklich nicht nennen, findet ihr nicht auch?«
»Nein, ein Schnäppchen war sie nicht.«
»Wir sollten das Gehege säubern und das Stroh verbrennen. Was geschieht mit Clara, falls der Test positiv ausfällt?«
Das klügste wäre, sie auf einer Auktion als unfruchtbare Kuh zu verkaufen; aber im Augenblick hatten die Preise einen derartigen Tiefpunkt erreicht, daß wir mit dem Ertrag kein Ersatztier würden erstehen können.
»Darüber werden wir uns noch Gedanken machen müssen.«
Shirley versuchte uns aufzumuntern. »Davon geht doch die Welt nicht unter. Es handelt sich nur um eine Krankheit und nicht um eine Epidemie.«
Aber wir waren entschlossen, auf das Schlimmste gefaßt zu sein.
»Falls sich die anderen Kühe bereits angesteckt haben, gäbe es eine Katastrophe«, entgegnete ich mit Grabesstimme.
Während der nächsten paar Tage drückte ich mich, das Telefon zu beantworten.
»Was ist denn, um Himmels willen, bloß mit dir los?« fragte Shirley mich, nachdem sie aus der ersten Etage herunterkommen mußte, um den Hörer abzuheben.
»Falls schlechte Nachrichten auf mich zukommen, dann wahrscheinlich mit Hilfe dieses Apparates«, erklärte ich ihr.
Sie war entsetzt. »Aber das bedeutet ja, daß ich die erste sein werde, die es erfährt!«
Bei dem Gedanken verschluckte sie sich. Ich zog es vor, mich zu verdrücken, bevor sie die Sprache wiedergefunden hatte.
Doch dann war sie irgendwo anders, als das Telefon wieder einmal klingelte. Es blieb mir nichts anderes übrig als zu antworten.
»Sie sind ein Glückspilz«, hörte ich Ted Grays Stimme sagen. »Es handelt sich nicht um Bruzellose, sie muß sich irgendwann einmal stark gestoßen haben.«
«Sie sind fast Ihr Geld wert«, entgegnete ich, bemüht, mir meine grenzenlose Erleichterung in der Stimme nicht anmerken zu lassen.
»Ich dachte, Sie würden sich darüber freuen«, gab er lachend zurück, denn er hatte sich nicht täuschen lassen. »Am besten ist, sie halten die Kuh bereit; wir werden vorbeikommen und sie uns noch einmal ansehen. Und dann schlage ich noch vor, daß wir bei dem Rest der Herde mit der Impfung gegen Bruzellose so bald wie möglich anfangen.«
Im Anschluß an diesen Alptraum schien sein Rat sehr vernünftig.
Shirley war draußen beschäftigt gewesen und kam nun ins Haus zurück. Sie hatte es sich angewöhnt, meinen gesteppten Daunenanorak anzuziehen, falls ich ihn irgendwo herumliegen ließ.
»Hat das Telefon geklingelt?« fragte sie beim Öffnen des Reißverschlusses.
Ich zwang mich, kühl zu wirken: »Es war bloß der Tierarzt.«
»Bloß der Tierarzt?!? Was hat er gesagt?«
»Nicht viel. Nur daß der Test negativ ausgefallen und das Ende der Welt verschoben oder gar aufgehoben worden sei.«
»Wunderbar«, rief sie und umarmte mich. »Du findest doch auch, daß das wunderbar ist, nicht wahr?«
Ich ließ meine Maske fallen. »Ja, natürlich! Was hältst du davon, wenn wir jetzt eine Flasche Wein öffneten, um diesen Augenblick feierlich zu begießen?«
»Holunderbeeren, Brombeeren oder Löwenzahn?«
Ich bevorzugte den zuerst genannten. Seine herrlich dunkelrote Farbe erinnerte an guten Burgunder.
Als ich gerade beim Einschenken war, kam John herein. Auch er erhielt ein Glas. »Hab’ ich richtig gehört, daß das Telefon geläutet hat? Irgend etwas passiert?«
Ich teilte ihm die Neuigkeit mit.
»Was für eine Erleichterung«, sagte er. »Ist es nicht lustig, daß ein Unheil verschiedene Phasen durchläuft? Dieses sah zunächst recht schlimm aus, dann katastrophal, und jetzt hat’s überhaupt nichts Verheerendes mehr an sich, nicht wahr?«
Ich pflichtete ihm bei. »Aber es barg alle
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