Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alle meine Schaefchen

Alle meine Schaefchen

Titel: Alle meine Schaefchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Holgate
Vom Netzwerk:
bereits beobachtet, wie sie Knochen, die einem Hund zu hart waren, ins Maul nahmen und wie zarte Kekse zum Tee zermalmten. Es würde wohl nicht viel von einem Finger oder einer Hand übrigbleiben, wenn man diesem hysterisch zuschnappendem Maul zu nahe kam.
    Dennoch! »Halt’s Maul, du schwachsinnige Sau«, schrie ich und packte sie an den Ohren. Auf diese Weise wollte ich versuchen, ihren Kopf wieder in eine normale Position zu drehen und ihn dann zurückzuschieben, während ich auf die unterste Querstrebe trat, um den Zwischenraum zu vergrößern.
    Es klappte nicht. Fast hob ich mir einen Bruch. Das Schwein hörte zwar einen Moment lang mit dem Schreien auf, um mich mit einem Auge schräg anzupeilen. Aber daraufhin kam es zu dem Resümee, daß meine Absichten die allerschlimmsten sein müßten und ich wohl Schweineschinken vor meinem inneren Auge hätte — und fing noch lauter als zuvor mit dem Gequieke an.
    Vielleicht würde ein Brecheisen helfen. Im Lagerraum lag eins. Ich stolperte hinüber, um es zu holen, und fühlte mich kalt und naß und ausgesprochen schlecht behandelt. Aber als ich wieder herauskam, sah ich Shirley über den Hof laufen. Das Nachthemd hatte sie in Jeans gestopft und den Morgenmantel unter einer Regenhaut versteckt.
    »Was ist denn los?«
    »Ein Schwein hat seinen blöden Kopf in dem Gatter eingeklemmt«, sagte ich und eilte an die entsprechende Stelle zurück.
    »So was ist schon einmal passiert«, erwiderte sie und folgte mir.
    »Nicht in der Nacht, nicht mit diesem Schwein und nicht in diesem verfluchten Gatter«, schrie ich verärgert, obgleich sie nun wirklich nicht daran schuld war.
    Auch mit dem Brecheisen kam ich nicht weiter. Nirgendwo konnte ich die Spitze richtig ansetzen, um genügend Hebelkraft zum Auseinanderbiegen der Stahlrohre zu bekommen. Nach mehreren mißlungenen Versuchen hielt ich an und dachte nach. Die Sau verhielt sich ruhig und schrie nur, wenn ich sie berührte. Shirley sah halb erfroren aus, Schnee hatte sich auf ihr Haar gelegt.
    »Was willst du jetzt tun?«
    »In der Garage liegt ein Wagenheber, laß es uns mit dem versuchen.«
    Wir hatten damit Erfolg! Ich hielt die Schraubwinde in der richtigen Position, während Shirley den Griff drehte. Durch die Ausdehnung wurden die Rohre gewaltsam auseinandergepreßt. Doch auch jetzt noch mußte ich die Sau bei den Ohren packen und den Kopf herumdrehen, um sie davon zu überzeugen, daß sie frei war. Sie ließ ein letztes empörendes Quieken vernehmen und rannte dann ins Schlafgehege.
    Wir fühlten uns beide schlapp und kraftlos. Brecheisen und Wagenheber schleuderte ich in eine Ecke, und auf unserem Weg zurück über den matschigen Hof sprach niemand ein Wort. Das einzige, was wir im Haus tun konnten, war, alles auszuziehen und die Blutzirkulation durch heftiges Abreiben mit einem Frotteehandtuch wieder in Gang zu bringen. Shirley holte für beide neue Schlafanzüge herbei. Ich sah ihr beim Ankleiden zu — sie wirkte sehr zierlich.
    »Es tut mir leid, daß du aufstehen mußtest, aber ohne dich wäre ich nicht zurechtgekommen«, sagte ich. »Entschuldige bitte, daß ich dich angebrüllt habe.«
    Sie hatte den Wasserkessel auf den Herd gestellt, der nun zu summen begann. »Schon gut. Ich verzeih’ dir. Kaffee?«
    Wir nahmen die Tassen nach oben. Die Uhr zeigte auf zwanzig Minuten nach Mitternacht.
    »Der Kaffee läßt dich vielleicht nicht schlafen«, sagte sie besorgt und stellte meine leere Tasse neben die ihre auf den Teppich.
    Ich war todmüde; der Gedanke, nicht schlafen zu können, machte mich lachen.
    »Weißt du was? Heute ist Karfreitag«, sagte sie. »Knusprige warme Brötchen und Ostereier.«
    »Mit scheint es eher Aschermittwoch zu sein«, entgegnete ich und machte das Licht aus.
    Bereits wenige Minuten danach — so kam es mir vor — holte mich der Wecker wieder umbarmherzig aus dem Bett. Doch das Wetter hatte sich gebessert: Es war wärmer und trocken und, abgesehen von einigen weißen Flecken, kein Schnee mehr zu sehen. Wie ein krasser Laie verrichtete ich das Melken.
    Bevor ich zum Frühstücken ins Haus ging, sah ich mir noch mal die Sau an. Am Nacken hatte sie zwar noch einige Schrammen, wo sie im Gatter eingeklemmt gewesen war, aber sonst waren keine Zeichen ihrer nächtlichen Eskapaden mehr zu erkennen. Sie war vollauf beschäftigt mit ihrem Futter im Trog und machte sich kaum die Mühe, mich anzusehen, als ich antiseptische Salbe auf die Wunden schmierte.
    »Vielen Dank fürs Füttern«, sagte ich

Weitere Kostenlose Bücher