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Alle meine Schaefchen

Alle meine Schaefchen

Titel: Alle meine Schaefchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Holgate
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In seiner Ausgelassenheit hüpfte er wie ein Frosch vom Tor aus hinein — versank in dem Morast bis zu den Knien und schlug dann der Länge nach hin. Doch selbst für ein Bürschchen wie ihn war das zuviel! Seine Schreie konnten noch im Haus gehört werden.
    Als wir zu ihm stießen, lag er auf Händen und Knien am Boden. Zwei Augen starrten uns aus einer Maske aus Kuhdung entgegen. Er krabbelte auf das Tor zu — ein grausiger Anblick — , bedeckt von Kopf bis Fuß mit dieser unaussprechlichen Mischung.
    Die anderen Kinder beobachteten ihn mit sprachlosem, fasziniertem Horror, bis ein kleiner Junge mit Stoppelhaaren, nicht älter als sieben Jahre alt, rief: »Hilfe, der stinkt ja schlimmer als das blöde alte Ei!« Plötzlich schrie und lachte und tanzte die ganze Bande um den Pechvogel herum und begleitete ihn zum Bauernhaus zurück.
    Noch vor der Küchentür zog er seine verdreckte Kleidung und die Schuhe aus, und ich trug ihn mit weit von mir gestreckten Armen hinein und setzte ihm neben das Abwaschbecken auf die Abtropffläche.
    »Das sieht ja eher nach einem Waschtag als nach einer Party aus«, sagte Shirley und seifte ihn kräftig ein. »Ich wage mir kaum vorzustellen, was seine Mutter sagen wird.«
    Nach fünfzehn Minuten war er saubergeschrubbt und abgetrocknet. Man hatte ihm Sachen von Nick angezogen, und jetzt konnte er wieder mitmachen, allerdings in merklich gedämpfterer Stimmung. Mit dem Versteckspiel war es vorbei.
    Als Mrs. Davies, die ebenso rothaarig war wie ihr Söhnchen, eintraf, um Denzil abzuholen, wurden einfach die schmutzigen Kleider und Schuhe in einen Plastiksack gestopft und ihr mit Bericht erstattenden Worten überreicht sowie ein Glas Löwenzahnwein, damit sie alles runterspülen konnte.
    Sie zeigte keineswegs Überraschung. »Bei der Taufe hat er plötzlich mit den Füßen getreten, so daß der Vikar ihn fast ins Taufbecken fallen ließ«, erzählte sie uns und einigen anderen Eltern, die ihre Kinder abholen wollten. »Wenn wir zu dem Zeitpunkt geahnt hätten, was für einen Strick wir uns da angeschafft haben, wären wir vielleicht versucht gewesen, ihn unter dem Wasser liegen zu lassen.«
    Aber die Art, wie sie Denzils Haarschopf verwuschelte, strafte ihre Worte Lügen.
     

17.

Die Geschichte von Paddy, dem Viehtreiber
     
    D ie Osterfreuden lagen bereits drei Wochen hinter uns, als eines Morgens Paddy, der Viehtreiber, oben am Weg das Gatter hinter sich schloß und mir dabei zusah, wie ich zwischen den Schafen und Lämmern prüfend umher lief, um zu sehen, ob alles seine Ordnung hatte. Er war ein schlauer kleiner Mann mit einem wirren grauen Haarschopf und einem Gesicht, das wie ein verschrumpelter Apfel aussah. Mit einer Schnur hatte er den abgewetzten Mantel in der Taille gebunden, die formlosen grauen Hosen stopfte er immer in die Gummistiefel, die am Rand umgekrempelt waren, damit sie nicht die Knie wundscheuern konnten. Bellend liefen die Hunde zu ihm hin, aber er gab pfeifende und gluckende Geräusche von sich und streckte ihnen die Hand entgegen, so daß sie ihn bald schweifwedelnd umkreisten.
    »Was für ein angenehmer Morgen. Ein Tag sich zu freuen, am Leben zu sein«, sagte er, und man konnte noch ganz gering seine irische Herkunft im Tonfall erkennen.
    Was kann man anderes tun, als jemandem zuzustimmen, der so etwas sagt?
    In der Großstadt, bevor wir nach Egerton gekommen waren, hätte ich ihn wahrscheinlich als Landstreicher, als heruntergekommenes Subjekt links liegengelassen. Aber das hätte er nicht verdient, auf keinen Fall.
    »Suchen Sie jemand? Kann ich Ihnen helfen?« fragte ich.
    »Falls Sie Arbeit für mich haben...« sagte er zögernd und rieb sich die Bartstoppeln am Kinn.
    Damit konnte ich ihm nicht dienen. Er sah es bereits meinen Augen an. »Ich mach’ alles. Auf einem Hof wie diesem bin ich ganz nützlich.«
    »Das glaub’ ich gern, aber es gibt nichts zu arbeiten.« ]
    Er nickte resignierend. »Nie gibt’s das.«
    »Es tut mir leid.«
    »Daran sind Sie nicht schuld, Sir, sondern die Zeiten.« 1
    Ich hatte meine Arbeit in der Schafherde beendet. Als ich zum Haus zurückging, lief er neben mir her. Man : konnte sehen, daß ihn die Füße schmerzten. »Der Krieg«, 1 sagte er und zeigte auf sie hinunter. »All das viele Mar- , schieren...«
    »Sie waren in der Armee?«
    »Nicht während Ihres Krieges«, entgegnete er grinsend. »Im Ersten Weltkrieg.«
    Ich sah ihn wohl ein wenig zweifelnd an.
    »Zweiundachtzig Jahre bin ich jetzt auf dieser Welt.

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