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Alle meine Schaefchen

Alle meine Schaefchen

Titel: Alle meine Schaefchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Holgate
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es eher wie eine Familientragödie aus. Während er die Kuh untersuchte, standen wir drei wartend daneben. Dann stand er wieder auf und sagte: »Sie können froh sein. Sie hatten recht, es ist Milchfieber.«
    »Wird sie durchkommen?«
    »Ich glaub’ schon. Dank Ihrer schnellen Reaktion. Ich werde ihr noch ein bißchen mehr Kalzium eingeben und Ihnen eine weitere Flasche hierlassen.«
    Er öffnete seine Tasche und verrichtete seine Aufgabe mit derart geschickten Handgriffen, daß unsere Bemühungen damit verglichen sehr tolpatschig waren. John hielt die Flasche für ihn, und die Lösung konnte langsam in die Vene der Kuh fließen.
    »Sie müssen ihr ein bißchen Zeit zum Erholen lassen.«
    »Wird es Nachwirkungen geben?«
    »Die Frage ist schwierig zu beantworten. Sie tragen zwar keinen offensichtlichen Schaden davon, aber durch das Umfallen können die Tiere sich verletzen. Außerdem ist sie ja keine junge Färse mehr. Passen Sie auf, daß sie dann wieder auf die Beine kommt, wenn Sie meinen, daß sie es schafft. Es ist nicht gut, wenn sie zu lange liegen bleibt.«
    John stieß einen leisen Pfiff aus und zeigte auf die Kuh. Sie hatte ein Auge geöffnet.
    »Ach, Gott sei Dank«, rief Shirley. Man konnte ihr die Erleichterung ansehen. »Es wäre’ schrecklich gewesen, wenn wir sie verloren hätten.«
    Ted Gray lachte. »Sie wären nie die Frau eines Schlachters geworden.«
    Bereits der Gedanke ließ sie schaudern.
    Bevor er ging, fragte er noch: »Möchten Sie, daß ich mir das Kalb ansehe?«
    Ich zeigte auf das Gehege, in dem wir William — die Kinder hatten ihn so genannt, es wäre Wilhelmina für eine Färse geworden — untergebracht hatten.
    »Ein Stierkalb«, sagte ich. »Wir hatten uns eine Färse gewünscht.«
    »Tut mir leid«, sagte er grinsend. »Ich kann ihm zwar eine Spritze gegen Lungenentzündung geben, aber Operationen zur Geschlechtsumwandlung mach’ ich nicht.«
    Etwa zwei Stunden nach seiner Abfahrt hatte sich die Kuh so weit erholt, daß sie sich in eine bequemere Lage rollen konnte. Bis nach Beendigung des abendlichen Melkens ließen wir sie ganz in Ruhe, dann versuchten wir, sie zum Aufstehen zu bewegen. Unsere Mühe war umsonst, bis ich ihr einen heftigen Schlag versetzte. Sie war empört, rückte nach vorn, stand halbwegs auf und fing an zu schwanken. Aber nach einem weiteren Hieb von mir stand sie schließlich auf allen Vieren.
    »Paß auf! Sie will sich wieder hinlegen«, rief John.
    Es sah ganz danach aus. Aber als wir uns beide kräftig mit den Schultern dagegenstemmten, fand sie ihr Gleichgewicht und blieb stehen.
    Ich hatte vergessen, den Tierarzt zu fragen, ob wir sie melken durften oder nicht. Schließlich holten wir einen Eimer und nahmen ihr gerade so viel Milch ab, daß ihr Euter nicht mehr geschwollen war. In der Futterkrippe an der Wand war für sie genügend Heu, und John streute noch zusätzlich eine reichliche Portion Melkkonzentrat in den alten, abgenutzten Trog aus Holz. Mehr konnten wir nicht für sie tun.
    Im Gehege nebenan streichelten die Kinder das Kalb.
    »Geht es Whitey jetzt wieder gut?« fragte Vicky.
    »Ich hoffe.«
    »Wir auch«, gestand mir Nick. »Falls seine Mama stirbt, ist William eine Waise. Wär’ das nicht furchtbar?«
    »Ja, du hast recht«, stimmte ich ihm zu und meinte es ernst.
    Die Sorge um Whitey beschäftigte meine Gedanken. Bevor ich ins Bett ging, sah ich noch einmal nach ihr. Sie schien unverändert, käute wider, allerdings ohne die Begeisterung, die ich gern an ihr gesehen hätte.
    »Es gibt nichts, was du noch für sie tun könntest«, sagte Shirley, als wir nach oben gingen. »Versuch jetzt zu schlafen.«
    Ein guter Rat, aber ich fand trotzdem keinen Schlaf. Gegen ein Uhr kletterte ich aus dem Bett, zog mir einen Pullover und Morgenmantel an, stieg in die Gummistiefel, die innen neben der Küchentür standen — eine kühle Angelegenheit mit nackten Füßen — und ging mühsam zum Stall hinüber, um nach Whiteys Befinden zu sehen. Die Nacht war kühl, der Himmel bedeckt.
    Die Kuh lag in normaler Position da. »Was gibt’s denn nun noch?« schien sie mit ihrem Gesichtsausdruck zu fragen, als ich das Licht anknipste.
    Ich tätschelte ihren Kopf und ging wieder zu Bett.
    »Wo bist du gewesen?« fragte Shirley verschlafen.
    »Ich hab’ der Kuh ‘ne Wärmflasche gebracht.«
    »Ja?« murmelte sie im Halbschlaf. Dann richtete sie sich mit einem Ruck aus: »Was?«
    »Ich hab’ der Kuh ‘ne Wärmflasche gebracht.«
    »Oh, wie blöd«, sagte

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