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Alle meine Schaefchen

Alle meine Schaefchen

Titel: Alle meine Schaefchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Holgate
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zusammenzusparen. Meistens hatten sie mir für Arbeiten Geld abgenommen, die sie normalerweise umsonst verrichteten. Die Münzen brannten fast Löcher in ihre Taschen.
    Also zogen wir am Samstag abend los; zunächst den steinigen Weg hinauf, und dann bogen wir auf die Straße ein, die fast bis zu der hübschen kleinen Stadt bergab führt, die auf ihrer Geschichte hockt und sie ausbrütet, wie eine Henne ihre Eier.
    Wir parkten das Auto und schlenderten durch die engen Gassen, über die der Kirchturm mit seinem Wetterhahn hinausragte, vorbei an Fachwerkhäusern und Geschäften bis hinauf zur Burg, die breit und grau über der Szene thronte. Diese herrliche Kulisse hatte eigentlich etwas Besseres verdient als Kettenkarussells oder Kirmesbuden mit Flitterkram und Schund, die im Stadtzentrum wirkten wie ein Talmiring aus Glas in der Schmuckschatulle einer Königin.
    Nick und Vicky sprudelten über vor Aufregung, und ihre Ausgelassenheit wirkte ansteckend. Bald ließen wir alle vier uns von der gutgelaunten Menge treiben und schieben, die in den Straßen hin und her wogte. Engpässe bildeten die grell angemalten Marktstände.
    Wir naschten Zuckerwatte, die wirklich wie rosa Watte schmeckte, fuhren mit ihnen Autoscooter und warteten winkend auf sie, während sie in der Berg- und Talbahn herumrasten und beim Aussteigen leicht grün im Gesicht waren. Schwer verdientes Geld wechselte seinen Besitzer für das Vergnügen, mit schmuddeligen Pfeilen nach unerreichbaren Zielen zu schießen. Und ich schaffte es, eine Pariser Gipsfigur — eine grotesk dicke Frau — zu gewinnen, indem ich dreimal in ein Ochsenauge mit einem Luftgewehr schoß. Doch man darf diese Leistung nicht unterbewerten, denn um den Ochsen zu treffen, mußte man das Gewehr irgendwo auf die obere linke Ecke der Zielscheibe richten.
    Aber der wahre Grund — und jeder Vater kann das bestätigen —, warum man auf die Kirmes geht, ist, um Kokosnüsse zu gewinnen. Falls mir das bis dahin noch nicht ganz klar geworden war, so wurde endgültig jeder Zweifel daran beseitigt, als Nick jedem in Hörweite mitteilte: »Mein Papa wird für uns eine Kokosnuß gewinnen.«
    Mehrere Leute blieben stehen, um zuzuschauen.
    Auch ohne Shirleys Ermutigung war die Situation für mich bereits schwierig genug.
    »Zeig uns, wie man’s macht, Liebling. Papa ist wirklich einmalig, wenn er Kokosnüsse umschmeißt, nicht wahr, Liebling?«
    Mit achtzehn Bällen traf ich viermal. Aber nicht eine einzige dieser verflixten Kokosnüsse dachte auch nur entfernt daran umzufallen. Entschuldigend lächelte mich der Schießbudenbesitzer an und hob die Nüsse aus ihren Halterungen, um zu zeigen, daß sie nicht angeleimt waren.
    »Ohne Flachs, Meister, wenn Sie die umschmeißen können, kriegen Sie die. Bestimmt.«
    Mit girrender Stimme versicherte Shirley ihm, daß niemand Schummelei vermutete.
    »Papa hat bis jetzt nur geübt, Kinder, aber nun werdet ihr ihn in voller Aktion sehen.«
    Gleichzeitig überreichte sie mir weitere sechs Bälle.
    Mir drohte mein Arm abzufallen, als jemand mir in den Rücken piekte. Als ich mich umdrehte, stand Paddy vor mir. Herrlich betrunken sah er mich aus glasigen Augen an und hielt eine Kokosnuß hoch. »Für die Kleinen.«
    Das Angebot klang sehr reizvoll, und ich hätte es am liebsten auf der Stelle damit bewenden lassen, wenn sich Shirley nicht dazwischengedrängt hätte.
    »Das ist aber nett, Paddy, vielen Dank. Haben Sie die Kokosnuß selbst gewonnen?«
    Der kleine Mann holte tief Luft und streckte seinen Brustkorb heraus. »Sofort umgelegt, Missus. Dead Eye Dick, das bin ich.«
    Er ahmte den siegreichen Wurf mit solcher Begeisterung nach, daß er dem Schießbudenbesitzer die Brille fast von der Nase gerissen hätte und dabei das Gleichgewicht verlor. Es war nicht ganz einfach, ihn wieder in die Senkrechte zu bekommen.
    »Wie wär’s mit ‘ner Tasse Kaffee?« fragte Shirley.
    Unser Wohltäter war schockiert. »Kaffee auf ‘ner Kirmes trinken? Das ist so’n ausländisches Gebräu, das die Innereien verrosten und die Atemwege verschlammen läßt.«
    »Und wie wär’s mit einem freundlichen, blonden Bier?« fragte ich.
    Mit einem bedeutungsvollen Zwinkern schloß er ein Auge: »Sie sind ein mitfühlender Mann, Sir.«
    Unverzüglich händigte ich meiner Frau die vier letzten Bälle aus und sagte: »Du zeigst ihnen, wie’s geht, Liebling.« Dann verabschiedete ich mich und folgte unserem Freund, der zwar etwas schwankend, aber zielbewußt eine Gastwirtschaft

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