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Alle meine Schuhe

Alle meine Schuhe

Titel: Alle meine Schuhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hepburn Lucy
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freundlich an.
    »Hallo, ich bin Harry. Brauchen Sie Hilfe?«
    Amy lächelte. »Ich hatte gehofft, mit jemandem reden zu können, der hier zuständig ist …«
    »Das bin ich«, erwiderte er. »Mom ist hinten. Sie musste mal kurz verschwinden. Solange passe ich hier auf.« Ein breites Grinsen zog sich über sein Gesicht und enthüllte blendend weiße, unterschiedlich große Zähne.
    »Vielleicht kannst du mir ja helfen«, antwortete Amy. »Ich bin neu in Patchoagy und auf der Suche nach dem Inhaber dieses Postfachs. Ich bin Amy.«
    Sie zeigte ihm einen Zettel mit Alices Namen und Postfachnummer, den sie an diesem Morgen beim Frühstück geschrieben hatte.
    »Sie meinen Patchog ?«, korrigierte der Junge sie freundlich.
    Amy wurde rot. »Ich glaub schon. Sorry – war das erste Mal, das ich versucht habe, Patchogue laut auszusprechen.«
    Das Grinsen des Jungen wurde noch breiter. »Kein Problem, das passiert ständig. Hey, sind Sie aus England?« Er wartete die Antwort gar nicht erst ab, sondern plapperte munter weiter. »Cool. Meine Großeltern sind letztes Jahr hingeflogen, um nach ihren Wurzeln zu suchen. Grandpa hat gesagt, wenn Grandma aufgehört hätte, sich die Haare zu färben, hätten sie nicht so weit reisen müssen. Dafür hat sie ihm eins übergebraten.«
    Amy lächelte den Jungen an.
    »Der Ort, in dem sie waren, heißt Stratford-upon-Avon. Kennen Sie das?«
    »Ja, kenne ich«, sagte Amy, als sie es schaffte, zu Wort zu kommen. »Aber ich bin nie da gewesen.«
    »Warum denn nicht?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Keine Gelegenheit. England ist ein großes Land …«
    Das ungläubige Gesicht des Jungen sprach Bände. »Und warum sind Sie hier?«
    Er starrte sie mit einer Direktheit an, die Amy so erfrischend wie die Meeresbrise draußen fand.
    »Irgendwie aus dem gleichen Grund, der deine Großeltern nach England brachte«, antwortete sie. »Ich bin auf der Suche.«
    Harry nickte. Dann wies er auf die Wand voller Postfächer. »Also, das Postfach ist da drüben, aber ich weiß, wo die alte Mrs Hewitt übermorgen sein wird.«
    Übermorgen!
    »Harry«, ertönte eine laute Stimme. »Was habe ich dir gesagt?«
    »Rede nie mit Fremden.«
    »Nein, das andere. Die oberste Post-Regel.«
    »Rede nie über Kunden.«
     
    Zehn Minuten später war Amy mit Harrys Mutter immer noch keinen Schritt weiter gekommen.
    »Tut mir leid, Honey, aber die Postfächer werden immer nur donnerstags geleert.«
    Heute war Mittwoch.
    Donna Baker stand dicht hinter der Theke. Sie war kräftig gebaut, mit dunklem drahtigem Haar, das sich bis auf ihre Schultern kringelte, vollen Lippen und einem weichen, ungeschminkten Gesicht. Sie trug ein Post-Hemd, das wenig weiblich wirkte und das sie in den Gummibund der marineblauen Hose gestopft hatte. Diesen hatte sie hochgezogen bis knapp unter ihre riesigen Brüste. Ihr Tonfall war sachlich – nicht unfreundlich, aber unmissverständlich.
    »Sind Sie sicher?«, fragte Amy ein letztes Mal.
    Als Antwort erhielt sie einen spöttisch Blick mit hochgezogenen Augenbrauen.
    »Ich nehme nicht an, Sie lassen mich einen kurzen Blick hineinwerfen?«, drängte Amy.
    »Honey, das hier sind verschlossene Postfächer und keine Bonbongläser. Die einzige Person, die da hineinschaut, ist der Kerl mit dem Schlüssel. Und der kommt immer nur donnerstags. Punkt. Tut mir leid, aber heute kann ich Ihnen nicht weiterhelfen.«
    »Kerl?«, wiederholte Amy. Sie fischte den Zettel mit der Adresse heraus, den sie in ihre Hosentasche gestopft hatte: Alice Hewitt, PO Box 8373, Patchogue, New York.«
    »Äh, entschuldigen Sie bitte?«
    Donna hatte sich abgewandt, um sich wieder ihrem Papierkram zu widmen. »Ja, Honey?«, rief sie über ihre Schulter hinweg.
    »Kann Alice in Amerika auch ein Jungenname sein?«
    Donna schnaubte verächtlich, dann drehte sie sich um. »Nun, ich denke, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten geht wahrscheinlich alles. Es gibt doch auch Alice Cooper. Ich kannte mal einen Typen, der hieß Ford Pickup, aber das ist eine völlig andere Geschichte.«
    Amy verschränkte die Arme auf der Theke und ließ den Kopf darauf sinken. Sie konnte nichts mehr tun.
    »Also, ähm …«
    »Donna.«
    »Donna. War nett, Sie kennenzulernen. Ich heiße übrigens Amy.«
    »In Ordnung, Amy?«
    »Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir zu sagen, um welche Zeit Alice – oder wie auch immer er heißt – kommt, um das Fach zu leeren? Bitte?«
    Donna zuckte mit den Schultern. »Ganz unterschiedlich. Kann um acht Uhr früh

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