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Alle meine Schuhe

Alle meine Schuhe

Titel: Alle meine Schuhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hepburn Lucy
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Großmutter die Salbe bekommen, Cyrill?«, »Wie kommt deine Kleine mit dem neuen Welpen zurecht, Avril?«, »Kann ich Ihnen damit behilflich sein? Sieht schwer aus. Wenn Sie mögen, kann ich es in mein Auto laden und Ihnen später auf dem Nachhauseweg vorbeibringen.« So ging es den ganzen Morgen.
    »Ruhiger Tag heute«, rief sie Amy während einer Flaute zu.
    »Ehrlich? Aber Sie haben doch gar keine Pause gehabt!« Amy lächelte. »Ich bin überrascht, wie viele Leute Sie kennen!«
    »Ach, da bin ich mir nicht so sicher«, erwiderte Donna. »Patchogue ist heutzutage eine richtig große Stadt – es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Diese Küste ist recht dicht besiedelt. Und da wir nicht weit von New York City sind, kommen auch eine Menge Leute übers Wochenende her. Aber es ist immer noch ein friedliches Plätzchen. Hier herrscht ein guter Gemeinschaftsgeist.«
    Dank Menschen wie ihnen, dachte Amy, war aber zu schüchtern, um es laut auszusprechen. Das Leben in London konnte manchmal recht einsam sein, nie begegnete man einem Gesicht in der U-Bahn oder an der Schnellkasse im Supermarkt ein zweites Mal.
    »Können Sie mir sagen, woher die Stadt ihren Namen hat?«, wollte Amy wissen
    »Indianer!«, antwortete Donna. »Soweit ich weiß, existierte früher hier eine große Siedlung von Indianern des Stammes Paushag oder Pochaug, lange bevor die Weißen herkamen.«
    »Für einen Neuankömmling ist der Stadtname ziemlich schwierig auszusprechen.«
    Donna nickte. »Der Ort hatte früher den Spitznamen Milltown, wegen der vielen Mühlen entlang der Wasserwege – das fällt Ihnen bestimmt ein bisschen leichter! Sie sollten rausgehen und sie sich ansehen, Sie können doch nicht Ihren ganzen Urlaub lang meinen Betrieb hier stören!«
    »Gute Idee!« Amy lächelte. »Was sind das für Mühlen? Baumwolle?«
    »Alle möglichen, Baumwolle, Wolle, Papier, Sägemühlen – alles, womit sich Geld verdienen ließ. Möchten Sie einen Kaffee?«
    »Oh, nein danke, Sie waren schon so nett zu mir …«
    »Indem ich Sie die Luft eines Postgebäudes atmen lasse? Kommen Sie schon, Honey. Sie möchten doch eine Tasse, oder etwa nicht?«
    »Das wäre wunderbar. Vielen Dank.«
    Donna reichte ihr einen großen Becher mit schwarzem Kaffee. In dem Moment kam der nächste Schwung Kunden herein. Amy beobachtete sie alle und fragte sich, ob einer von ihnen wohl den magischen Schlüssel zu Fach 8373 besaß. Sie versuchte, nicht daran zu denken, dass er vielleicht schon da gewesen war und sie ihn trotz höchster Konzentration verpasst hatte. So wie man angestrengt Radio hört, weil jeden Moment der Wetterbericht kommt, und man dann plötzlich feststellt, dass man ihn gerade verpasst hat. Oder – noch schlimmer – dass er heute gar nicht auftauchen würde.
    Der Tag schlich dahin. Kunden kamen und gingen. Donna plauderte, wenn sie Kundschaft hatte, und schwieg, wenn sie allein war und weiter ihren Papierkram erledigte. Sie ließ sich durch nichts aus der Ruhe bringen. In der Stille merkte Amy, wie ihre Gedanken zu Justin schweiften.
    Ich hätte mir im Auto nicht diese Liedtexte ausdenken sollen. Es war ein billiger und unreifer Versuch, mich aufzuheitern. Tatsächlich habe ich mich nur noch schlechter gefühlt. Dabei hat er sich echt beschissen verhalten. Und warum fühle ich mich dann schlecht? Ich wünschte, ich könnte manchmal ein bisschen mehr so sein wie Debbie. Sie lässt sich von niemandem was gefallen – wenn sie sogar Gabriel die Macken austreiben kann, sollte sie eigentlich für die Vereinten Nationen arbeiten. Ich muss dran denken, sie Condoleezza Rice zu nennen, wenn wir das nächste Mal miteinander sprechen. Wenn sie an meiner Stelle wäre, hätte sie Justin schon längst ausfindig gemacht, in den Schwitzkasten genommen und gezwungen, sich die Wahrheit anzuhören! Warum in aller Welt, habe ich das nicht getan?
    Ein Laster war draußen vorgefahren und der uniformierte Fahrer lud Säcke voller Post auf, die zur Verteilung irgendwo anders bestimmt war.
    Aber ich habe es versucht! Er hat mir keine Chance gegeben – im umgekehrten Fall hätte ich ihn zumindest angehört! Oder etwa nicht?
    Donna war nach hinten zur Toilette verschwunden. Eine junge Frau mit einem Baby in einem Buggy kam herein, ging an den Tresen und wartete. Kurz darauf betrat ein großer Mann in Bermudas den Raum und kramte in seiner Hosentasche – offenbar auf der Suche nach seinem Schlüssel.
    Es ist echt beschissen, wenn einem nicht geglaubt wird. Zu wissen,

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