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Alle meine Schuhe

Alle meine Schuhe

Titel: Alle meine Schuhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hepburn Lucy
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alles. Es fühlt sich jedenfalls so an. Und Sie haben nie den Verdacht gehegt, dass irgendetwas in dem Schuh verborgen sein könnte?«
    »Nein!«, rief Amy. »Das sind die einzigen Schuhe, die ich von Mum besitze, nur deshalb sind sie so kostbar für mich. Sie hat sie bei ihrem letzten Auftritt getragen, bevor sie sich vom Ballett zurückzog. Ich habe sie wie einen Schatz aufbewahrt – wie alle meine Schuhe, das ist ein Tick von mir.
    Aber diese hier sind etwas ganz Besonderes. Ich habe ganz sicher noch nie darin herumgestochert – ein fürchterlicher Gedanke! Als ich noch ein kleines Mädchen war, hat Mum mir sogar gesagt, die Schuhe seien nur zum Anschauen da und dass ich sie ja nicht kaputt machen sollte … oh …«
     
    Alice zog den Spitzenschuh von Amys Mutter aus der Tasche. Der Anblick ließ Amy schlucken. Am liebsten hätte sie sich nun auf den Schuh gestürzt und ihn auseinandergenommen. Aber sie saß regungslos da und sah abwechselnd zum Schuh und wieder zu Alice.
    Alice nahm eine Gabel vom Tisch.
    »Ich hatte eigentlich vor, heute Abend mit Jack zu reden, um diese Verwechslung aufzuklären und Ihnen den Schuh zurückgeben zu lassen. Aber nun sitzen wir hier zusammen und außerdem würde ich diese Aufgabe keinem Amateur anvertrauen. Darf ich?«
    Amy zögerte.
    Alice entging diese Unsicherheit keineswegs. »Ich beschädige den Schuh nicht, Amy.«
    Nun nickte sie.
    Vorsichtig löste Alice die Sohle heraus und brachte, mit einem zufriedenen Seufzer, behutsam ein fest zusammengerolltes Stück Papier ans Tageslicht.
    »Tatsächlich!«
    Amy war fassungslos. »Ist das …?«
    »Sieht aus wie ein Brief, Amy. Tut mir leid, dass ich Sie damit so überrasche. Ich war ehrlich überzeugt, Sie wüssten, dass in dem Schuh etwas verborgen ist. War wohl etwas voreilig von mir, nicht wahr?«
    »Nein«, murmelte Amy und war von dem rauen Klang ihrer Stimme überrascht. »Offenbar wusste ich gar nichts . Ich dachte, es wären … einfach nur … Schuhe.«
    »Oh, meine Liebe!« Alice reichte ihr das Papier – und den Schuh. »Warum gehen Sie nicht für einen Moment an die frische Luft, um es in Ruhe zu lesen? Hier drinnen ist es ein bisschen stickig, nicht wahr? Ich muss außerdem mal mit Hank reden – seiner Schwester ging es in den vergangenen Wochen nicht gut. Nehmen Sie sich jetzt mal einen Moment Zeit für sich. Ich komme später wieder zurück und sehe nach Ihnen.« Mit diesen Worten fuhr Alice über die leere Tanzfläche und verscheuchte alle, die ihr dabei helfen wollten.
     
    Draußen stolperte Amy über den Kies und setzte sich auf eine Taurolle. Der Wind, der drinnen im Zelt unbemerkt blieb, störte sie nicht. Das Papier war fest zusammengerollt. Mit zitternden Händen brauchte Amy mehrere Versuche, um es zu entfalten. Im schwachen Lichtschein der Sterne und der Lichterketten las sie die in unregelmäßiger Handschrift geschriebenen Zeilen.
     
     
    Hannah, mein Liebling,
    erinnerst du dich an unsere letzte gemeinsame Nacht in Paris? Noch immer brennt sie mir in der Seele. So viel Feuer, so viel Leidenschaft! Ich weiß, dass du mit deinem Mann und deinem kleinen Mädchen hier bist, und möchte keinesfalls Ärger machen, aber … triff mich nach der Party … du weißt wo.
    Sergei
    Amy blickte auf, ihr Gesicht war wie versteinert. Ein paar Augenblicke lang blieb sie ganz ruhig, während sie nur langsam den Sinn dieser Worte erfasste. Durch die Lücke am Zelteingang erhaschte sie einen Blick auf Jack, der mitten auf der Tanzfläche stand, in jeder Hand ein Glas mit einem grell pinkfarbenen Getränk darin, obenauf verziert mit bunten Schirmchen. Langsam drehte er sich einmal um die eigene Achse und hatte vermutlich seine Großmutter entdeckt, jedenfalls verschwand er aus Amys Blickfeld. Leichter Zigarettenrauch wehte an Amys Nase vorbei.
    Feuer? Leidenschaft? Will keinen Ärger machen? Sergei!
    Mum – was geht hier vor? Du und Sergei? Nein! Als ich ein kleines Mädchen war? Was ist mit Dad? Nein, nein, nein! Das kann ich nicht glauben. Ich will es einfach nicht glauben.
    Das Datum auf dem Brief bestätigte Amys schlimmste Befürchtungen. Er wurde geschrieben, als sie fünf Jahre alt war. Das musste etwa zu der Zeit gewesen sein, als das Bild von Margot Fonteyns Party aufgenommen wurde. Darauf hatte sie in der Körpersprache der beiden eine gewisse Intimität festgestellt, die sie noch gestern verleugnet hatte. Oh mein Gott, meine Mum hatte eine Affäre mit Sergei. Sie hat meinen Dad betrogen …
    Plötzlich

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