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Alle meine Schuhe

Alle meine Schuhe

Titel: Alle meine Schuhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hepburn Lucy
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Himmel seine Schleusen geöffnet, und der Regen prasselte heftig gegen die Scheibe. »Was für ein langer, mieser, chaotischer Tag.«
    Ihre Gedanken schweiften wieder zu Sergei und ihrer Mutter. Es war anstrengend, so wütend auf ihre Mutter zu sein. Warum hatte sie Dad hintergangen? Er war wunderbar! Er hielt so große Stücke auf Mum und mich, war immer für uns da! Wir waren wie die drei Musketiere, die Drei Amigos!, die drei Bären aus dem Goldlöckchen-Märchen – er sagte immer, wie sehr ich ihr ähnlich sehe …
    Amy musste hier raus. Obwohl ihr Körper von der Reise und dem schmerzenden Knöchel erschöpft war, wusste sie nur zu gut, dass sie nicht viel Schlaf finden würde, wenn sie sich jetzt ins Bett legte.
    Außerdem ist New York die Stadt, die nie schläft!
    Eine ihrer Schuh-Adressen war eine Piano Bar in Greenwich Village, New York City. Sie konnte mit dem Taxi hinfahren und versuchen, wenigstens ein vollständiges Paar Schuhe von ihrer Amerika-Reise mitzubringen. Am nächsten Morgen würde sie direkt zum JFK fahren, ihr Ticket umbuchen und nach Hause fliegen. Besser gesagt, zu Jesminder.
    Guter Plan. Unausweichlich, einfach – und zum Glück bald vorbei. Morgen um diese Zeit würde sie im Flugzeug zurück nach London sitzen, nach einem letzten tapferen Einsatz. Bevor ihre Entschlossenheit wieder verflog, griff sie zum Handy und schickte Jesminder eine SMS:
     
    Komme morgen nach Hause. Schicke euch Nachricht, wann genau. Amy – x
     
     
    Als sie nur wenig später Oliver’s Piano Bar im Zentrum von Greenwich Village betrat, sorgte Amy durchaus für Aufsehen. Geduscht, geschminkt und wieder in dem Audrey-Hepburn-Kleid, in dem sie sich so hübsch gefühlt hatte – war das wirklich erst gestern gewesen? -, tat sie ihr Möglichstes, englische Coolness zu verkörpern. Tatsächlich schaffte sie es, die Aufmerksamkeit von nahezu jedem der Anwesenden auf sich zu ziehen. Das lag sicher an dem hübschen Kleid oder dem schwingenden, frisch gewaschenen Haar – und vielleicht hatte beides damit zu tun. Aber vor allem lag es wohl an der Tatsache, dass sie an dem einen Fuß eine weiße Riemchensandalette mit Keilabsatz trug und am anderen – einbandagierten – einen klobigen, nicht zugebundenen Sportschuh. Als Amy an die Bar humpelte, standen ihr die Anstrengung und der Schmerz ins Gesicht geschrieben.
    Sprüche wie »Schuh verloren, Cinderella?« oder »Wer hat dich denn verhauen?« schnappte sie im Vorbeigehen auf.
    Der Laden war komplett voll. Nachdem sie sich auf einem Barhocker niedergelassen hatte, brauchten ihre Augen eine Weile, um sich an die schwache Beleuchtung zu gewöhnen.
    Niedrig, muffig und beengt, mit Schwarz-Weiß-Postern an den Wänden, die für die Broadway Shows der 50er Jahre warben, verstrahlte die Bar eine ruhige, entspannte Atmosphäre, eine Selbstgefälligkeit, die Amy trotz ihrer Niedergeschlagenheit gefiel. Es war erfrischend – belebend -, an einem Ort zu sein, an dem niemand ihren Namen kannte. Der Raum war eingerichtet mit schmalen Holztischen und Stühlen mit runder Rückenlehne, wie Tänzer sie in Filmen benutzen, um sich rittlings darauf zu setzen. Wachs-überzogene Flaschen auf den Tischen mit brennenden, roten Kerzenstümpfen tauchten die Gäste in ein weiches, dämmriges Licht. Es waren vor allem Pärchen, einige total durchgestylt, die die Köpfe eng zusammengesteckt hatten, vertraut miteinander plauderten und sich hin und wieder küssten. Eine schöne, orientalisch anmutende Frau stand auf der Bühne und wollte gerade mit ihrem nächsten Song beginnen. Hinter ihr stimmte ein bärtiger Musiker seinen Kontrabass und ein lächelnder Mann mit Kugelbauch setzte sich hinter ein Schlagzeug und wirbelte mit Jazzbesen. Die Band war komplett, als sich ein ernst aussehender junger Mann im Smoking an den Flügel setzte, der am Ende der Bühne stand. Er warf Amy einen Blick zu und lächelte sie an, bevor er seine Aufmerksamkeit den Klaviertasten widmete und zu spielen begann.
    »Kann ich Ihnen was zu trinken bringen?«
    Der Barkeeper hatte sich über die Theke gelehnt, seinen Mund etwa fünf Zentimeter von Amys Ohr entfernt.
    »Was?« Sie zuckte zusammen. Dann wurde ihr klar, dass ein harter Drink genau das war, was sie nach diesem Tag brauchte: »Haben Sie Wodka?«
    Der Barmixer blickte sie schief an. »Wodka? In einer Bar? Sind Sie wahnsinnig?«, zog er sie auf, während er nach der Flasche griff. »Pur oder gemischt?«
    Amy lächelte zurück. »Mit einem Schuss Tonic,

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