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Alle Orte, die man knicken kann

Alle Orte, die man knicken kann

Titel: Alle Orte, die man knicken kann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Bittrich
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Knödeln, zu einem weiteren Drittel aus Speck und zum letzten Drittel aus Bier. Das trifft auch auf die meisten Touristen zu, und zwar vom zweiten Tag an. Selbst wer das «U Fleku» meidet, kommt um diese Grundnahrung nicht herum. «U Fleku» ist das Hofbräuhaus von Prag, und wer Schwarten, Knödel und Blasmusik zum Bier mag, wird hier glücklich schunkeln. Die Reiseführer raten meist zu «Geheimtipps» in «Nebengassen». Die gibt es in Prag nicht. Es gibt keine geheimen Restaurants, nur schlechte, und davon jede Menge. Denn lediglich die Touristenfallen werden vom Gesundheitsamt kontrolliert. Der Rest darf schlechte Ware losschlagen, sauren mährischen Wein panschen und Bier strecken. Am Ende wird Bedienungsgeld auf die Rechnung geschlagen, aber meist nur in Höhe des verzehrten Betrags.
    Das reicht für das Expertengespräch
    Franz Kafka ist der bedeutendste Autor Prags. Er hat die Stadt immer verlassen wollen und es nie geschafft. Seinen Frust hat er in die Freitodgeschichte
Das Urteil
gepresst. Darin springt ein Prag-Leidender von der Brücke ins Wasser. Kafka-Experte Eduard Goldstücker fand nur einen einzigen Satz in der Geschichte bemerkenswert, und zwar den letzten: «In diesem Augenblick ging über die Brücke ein geradezu unendlicher Verkehr.» Goldstückers Rat für die Diskussionsrunde: Diesen Satz zitieren und ihn existenziell finden. Sorgt für einen tiefsinnigen Abend. Ergänzend macht sich die Bemerkung gut, Prag sei «insgesamt kafkaesk».
    Das meinen Kenner
    «Was für Trampel, was für ein unmusikalisches Volk!»
    – Anton Dvořák, Komponist
     
    «Ich weiß, warum ich weggegangen bin.»
    – Nora Dvořáková alias Dolly Buster, Darstellerin
     
    «Ich bin nur zum Klarinettespielen gekommen. Lassen Sie mich los!»
    – Woody Allen, Schauspieler und Regisseur

Ungarn

    B is heute ist die berühmte Sisi in Ungarn beliebt. Denn diese bayerische Prinzessin wurde nicht nur Kaiserin von Österreich, sondern dreißigjährig auch Königin von Ungarn. Sie suchte sich ungarische Hofdamen aus, verliebte sich in einen ungarischen Grafen und erlernte die ungarische Sprache. Doch die ungarische Hauptstadt besuchte sie nach der Krönung nie wieder. Ihr Stadtführer und Liebhaber Gyula Andrássy teilte mit, ein einziger Spaziergang habe Sisi genügt: «Die düsteren Straßen versenkten sie in Schwermut.» Jeder, der heute in Budapest Zeit verbringen muss, kann das nachempfinden, allerdings nur zu hundert Prozent. Die Stadt ist dunkelgrau und bestenfalls nichtssagend. In ihren gelungensten Teilen wirkt sie wie ein missglückter Nachbau von Wien.
    «An dieser Stadt ist die Donau das Beste», schrieb der Romancier Sándor Márai, der beizeiten freiwillig ins Exil ging. Die in Nord-Süd-Richtung fließende Donau teilt die Stadt in das westliche Buda, das verschlafener und vornehmer wirkt, und das östliche Pest, dessen Name Programm ist. Buda wird von einem kitschigen Ensemble namens
Fischerbastei
gekrönt, bei dem Sightseeing-Busse lange halten, weil es nicht viel anderes gibt. Daneben erhebt sich die
Mathiaskirche
, in der Sisi zu ihrem Unglück gekröntwurde, und das Burgviertel, in dem sie hätte residieren sollen. Wer eine Stadtrundfahrt gebucht hat, wird noch zum sowjetischen Freiheitsdenkmal gekarrt, dessen Errichtung die Freiheit beendete. Von hier bietet sich jene graue Aussicht über die Stadt, von der die Königin schwermütig wurde.
    Auf die östliche Seite gelangt man über die sogenannte Kettenbrücke, die von Einheimischen aus bislang ungeklärten Gründen als sehenswert ausgegeben wird. Auf der Pest-Seite stehen Verwaltungsbauten und alte Mietskasernen. Es gibt eine Flaniermeile namens Rakuczi, die aus Billigshops und Frittenläden besteht, zwei oder drei Jugendstilcafés, von denen das
New York
das berühmtere und hässlichere ist, und schließlich einen pathetischen Heldenplatz, der zum Versammlungsort der wichtigsten chauvinistischen Parteien geworden ist.
    Was man obendrein unbedingt versäumen sollte: die hundert Jahre alten gefliesten Miefbäder, das klebrige Geigenspiel beim Dinner, die betagten rumpeligen Straßenbahnen und die U-Bahnen , in denen Touristen beraubt werden, bevorzugt von Großfamilien aus dem neunten Bezirk. Die einheimischen Spezialitäten sind ungewürzt, der Wein synthetisch, der Kaffee dünn. Die Bewohner von Buda und Pest leben ihre Unzufriedenheit beim Autofahren aus. Sie mögen keine Fremden, schon gar nicht auf Zebrastreifen.

Italien

    G oethes
Italienische

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