Alle Orte, die man knicken kann
kommen bei demjenigen, der das Reina-Sofia-Museum und also auch Picassos
Guernica
ausgelassen hat, es aber lieber nicht gestehen will. Innerhalb Spaniens gelten die Madrilenen als gestresst und arrogant; ein Hinweis darauf reicht für einen gelungenen Expertenabend.
Das meinen Kenner
«Zeigt mir eine andere europäische Stadt, in der ein Mann noch kämpfen darf!»
– Ernest Hemingway, Schriftsteller
«Die Menschen sind abweisend, die Stadt unwirtlich. Wollten Sie dahin? Viel Spaß.»
– Montserrat Caballé, Sängerin
«Womit hab ich das verdient?»
– Pedro Almodóvar, Regisseur
D er Süden Spaniens bietet die Gelegenheit, islamische Baukunst zu loben, ohne ein islamisches Land betreten zu müssen. Die maurischen Eroberer kamen um das Jahr 700 und hielten beinahe achthundert Jahre aus. Geblieben sind ein paar Rezepte, Sprachbrocken und Bauformen vom Patio bis zu Minaretten und Palästen. Zu Andalusiens neueren Errungenschaften gehören der industrielle Anbau von Olivenbäumen und die Anreicherung von Fungiziden, Pestiziden und Insektiziden unter kilometerlangen Plastikplanen. Als Träger der Gifte dient Gemüse, das anschließend exportiert wird.
Öde Orte
Ronda. Andalusien wird als Land der weißen Dörfer verkauft. Ronda ist das einzige weiße Dorf. Die anderen sehen lediglich von weitem so aus. Nur Ronda wird für zahlungswillige Fremde geputzt, gekalkt, getüncht, gewienert. Von allen anderen Orten mit dicken Mauern und staubigen Gassen unterscheidet es sich durch eine hundert Meter tiefe Schlucht, die Altstadt und Neustadt trennt. Das ermöglicht spektakuläre Zooms von der Brücke abwärts («Der Kleine da unten ist Felix») und von unten aufwärts zur Brücke («Da oben winkt Kathrin»). Ronda besteht aus Hotels, Restaurants und Souvenirläden, allerdings nur zu hundert Prozent.
Jerez. Die Stadt ist hässlich, bietet aber kostenlosen Alkohol bei sogenannten Verkostungen in den Sherry-Kellern. Daher die vielenBusse. Für Sherry («Jerez») wird Weißwein verwendet, der nicht mehr verkauft werden darf. In Fässern gelagert, wird er zu etwas Dickflüssigem, das alte Herrschaften in kleinen Schlucken trinken sollen. Akzeptable Sherry-Qualitäten werden exportiert, die inakzeptablen werden in den Gewölben von Jerez ausgeschenkt.
Sevilla. Eine Großstadt mit engen Straßen, in denen sich die Abgase als bleierne Dunstschicht ablagern. Aus dieser Schicht ragt ein Minarett hervor, das zum Kirchturm umgewidmet wurde: die
Giralda
, die zu besteigen Fremdenführer beharrlich empfehlen («toller Rundblick»), um Zeit zu gewinnen. Denn Sevilla bietet sonst nur eine bemitleidenswerte Ruine (
Alcázar
), ein paar Innenhöfe mit Fliesen und eine überdimensionierte Kathedrale, in der eine leere Grabstätte seit fünfhundert Jahren auf die Gebeine von Kolumbus wartet. Touristen laufen durch das
Barrio Santa Cruz
, ein zum Nepp-Shoppen hergerichtetes Altstadtviertel.
Córdoba. Individualreisende zerschrammen hier ihre Leihwagen. Die Gassen sind nicht breiter als eine Mülltonne und werden auch ähnlich genutzt. Alle Fremden streben zu einem einzigen Ort: zur
Mesquita
. Das ist eine Halle mit vielen hundert Säulen, die im Mittelalter als Moschee erbaut worden ist. In den rotgrauen Säulenwald wurde vor fünfhundert Jahren eine Kathedrale gesetzt. Studienreisende dünken sich tolerant und edel, wenn sie diesen Einbau tadeln. Tatsächlich passt er so gut in die Moschee wie ihr Reisebus auf den Vorplatz.
Granada. Die
Alhambra
, die muslimische Palastanlage über der Stadt, ist das meistfotografierte Gebäude Spaniens. Karten sind im Voraus zu ordern. Die kamerabewaffneten Reisetruppen werden in Garnisonsstärke durch Gänge und Säle getrieben, von Führern, die einem strikten Zeitplan unterworfen sind. Atmen ist nicht erlaubt. Entspannender, aber immer noch ein Massenerlebnis, ist ein Gang durch die Gärten des darübergelegenen Sommerpalastes
Generalife
. Die Stadt bietet sonst die üblichen Gassen und eine Kathedrale und im Hintergrund kahle Berge mit Restschnee.
So wird man lästige Mitreisende los
Als 2010 das Minarett in der alten marokkanischen Stadt Meknès einstürzte, erhoben sich nicht nur vierzig Seelen in die Gefilde der Ewigkeit. Es stellte sich auch heraus, dass das Minarett in derselben Art und von denselben Baumeistern errichtet wurde, die Sevilla mit der Giralda beschenkten. «Da müssen Sie einfach rauf!», empfehlen wir also unserer redseligsten Mitreisenden. «Ich habe
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