Alle Orte, die man knicken kann
das vor drei Jahren gemacht», ergänzen wir, «absolut einmalig!» Es ist leider unwahrscheinlich, dass die Giralda gleich darauf zusammenbricht. Wahrscheinlich ist aber, dass unsere Schnatterreisende zusammenbricht – nach den fast hundert Metern auf einer stufenlosen steilen Spiralrampe. Zumindest wird sie einige Stunden sprachlos sein. Sehr schön sind dann zum Ausspannen die Besäufniskeller von Jerez. «Da müssen Sie sich einfach durchprobieren!» Ehe die Besucherin es wahrnimmt, hat sie mehr Sherry geschluckt, als selbst eine norddeutsche Bischöfin vertragen würde. Und tschüs. Jerez verfügt über spezialisierte Kliniken und Ausnüchterungszellen.
Typisch Andalusien
Stecken bleiben. Die Gassen in den alten Innenstädten sind so breit, dass zwei Eselstreiber sich aneinander vorbeidrücken können.Zwei Autos schaffen es nicht. Bereits
ein
Auto kommt nur hochkant und mit eingezogenen Rädern voran. Wer seines nicht für immer festrammen will, wählt eine Tiefgarage am Stadtrand oder einen bewachten Parkplatz. Wichtig: Vor allem selbsternannte uniformlose Wächter müssen bezahlt werden, sonst kommt das Auto auf mysteriöse Weise zu Schaden.
Flamenco. Guides und Busfahrer geben Geheimtipps für Flamenco-Vorführungen, zu denen sonst niemand findet, die also nicht kommerziell sind, sondern quasi privat stattfinden und auf jeden Fall authentisch sind. Allerdings kosten sie Eintritt, mehrere Busse stehen vor der Tür, und Gitarrenspiel, Gesang, Geklatsche und Tanz machen einen reichlich abgenudelten Eindruck. Kulturreisende kaufen gleichwohl die signierten DVDs und Remix-CDs. Wer geizig ist, nutzt wenigstens die Gelegenheit, den Gitanos klarzumachen, dass er das Wort «Zigeuner» niemals benutzt hat und auch sonst keinerlei Vorurteile hegt.
Semana Santa. Wenn der Verkehrsstau nicht mehr endet, handelt es sich entweder um einen Nationalfeiertag oder um die
Semana Santa
: Partyfrohe Gläubige kostümieren sich in Büßergewändern und stellen täuschend echt den Leidensweg zum Kreuz nach, in karnevalsähnlichen Umzügen. Anschließend trinken sie reuevoll blutrote Getränke aus Gläsern. Es handelt sich um eine alte Tradition, die auf dem tiefen Glauben der Südspanier an den Alkohol basiert.
Unverdauliche Landesspezialitäten
Die skrupellose Resteentsorgung namens
Tapas
wird auch in Andalusien emsig betrieben, seit die Müllgebühren gestiegen sind.Touristen reagieren zuerst begeistert, dann mit heftigen Allergien. Besonders der gefürchtete
Serranoschinken
von hellhäutigen Hausschweinen (oder was man so nennt) hat nach zwölf Monaten Lufttrocknung Symptome zur Folge, die nur mit massiven Cortisongaben unterdrückt werden können. Das liegt nicht nur am hormongepäppelten Schwein, sondern auch an der feinstaubgesättigten Luft, der er ausgesetzt war. Harmloser ist das authentische Bauerngericht
Migas
aus Hartweizengrieß, Wasser, Olivenöl und Salz. Es wird als letzte Mahlzeit all jenen gereicht, für die der Nothubschrauber schon bereitsteht.
Das reicht für das Expertengespräch
Andalusien-Urlauber behalten in Erinnerung, dass das Land mal unter arabischer Herrschaft war. Dass es weiße Dörfer gibt. Und dass sie auf der Alhambra den Löwenbrunnen fotografiert haben. Ach ja, und dass die Mezquita (War sie in Sevilla? Oder in Granada?) besser unangetastet geblieben wäre. Wenn die Urlaubsbilder gezeigt werden, passt auf jeden Fall ein Lob des filigranen maurischen Stils. Als Ausweis der Toleranz genügt ein Hinweis darauf, dass die
Reconquista
(die katholische Rückeroberung) etwas ruppig war. «Sie können in abendlicher Runde die islamische Zeit als besonders tolerant verklären», meint der spanische Historiker Gregorio Marañon. «Oder Sie können daran erinnern, dass unter den Kalifen Steinigungen, öffentliche Erhängungen und lebendige Beerdigungen üblich waren.» Es kommt wohl auf die Atmosphäre des Gespräches an. Nicht fehlen darf eine Debatte über den Stierkampf. Authentisches altes Ritual oder mangelnde Tierliebe? Die Diskussion sorgt für hitzige Stimmung,gute Durchblutung und dafür, dass der billige Rioja vom Discounter als echt durchgeht.
Das meinen Kenner
«Ich empfehle Ihnen die Küste Andalusiens zwischen Malaga und Torremolinos. Sie werden ein für alle Mal vom Reisen geheilt sein.»
– Camilo José Cela, Literaturnobelpreisträger
«Müsste ich in Andalusien wiedergeboren werden, dann bitte als Stier, um in der Arena möglichst schnell erlöst zu werden.»
–
Weitere Kostenlose Bücher