Alle Orte, die man knicken kann
der weniger besucht ist, weil er keinen auffallenden Höhepunkt hat. Überhaupt leidet der Tourismus in Utah, und zwar vor allem unter einer bundesstaatlichen Verordnung: Es gibt hier keinen Alkohol, obwohl das Land so öde ist. Dafür bekommt man an allen Tankstellen und in allen Läden das kostenlose
Book of Mormon
, eine von Gott persönlich diktierte Schrift aus dem neunzehnten Jahrhundert, die keinerlei Trost birgt, die man zum Scherz dennoch mitnimmt und spätestens vor dem Abflug weiterreicht.
Arizona ist besser besucht, und die Abende hier verlaufen erkennbar heiterer. Das Land ist noch trockener, aber die Kehle wird feuchter. Die Leute, die aus Utah herüberkommen, haben leuchtende Augen, selbst an vernachlässigbaren Highlights wie dem
Petrified Forest
(ein Dutzend versteinerte Baumstümpfe) unddem
Canyon de Chelly
(rote Schluchten mit alten Wohnhöhlen). Der Oberhit hier ist der
Grand Canyon
. Auch wenn niemand ihn gerade per Motorrad überspringt oder mit dem Gleitschirm durchsegelt, ist er voll, nicht unten, sondern oben am Rand, wo es Restaurants und Erfrischungen gibt. Man kann auch hinabklettern, wird daran aber meist von Rettungskräften gehindert, die dehydrierte Wanderer vom Boden der Schlucht bergen oder die Insassen eines Hubschraubers abtransportieren, der seine Rotorblätter am Fels zerschreddert hat.
Einer der Latest Hits ist der
Grand Canyon Skywalk
, der aus folkloristischen Gründen von Nachfahren eines Indianerstammes (den Yuma-Apachen oder Hualapai) verwaltet wird. Das Betreten der über die Schlucht gebauten U-Plattform kostet etwas weniger als hundert Dollar. Dafür darf man nicht nur über die gläserne Brüstung starren, sondern kann das Rinnsal des Colorado sogar durch den gläsernen Boden erkennen. Jeder auf dem Skywalk trägt schonende Überschuhe, die beim Eintritt ausgegeben werden. Dennoch zeigt der Glasboden erstaunliche Kratzer, angeblich von heruntergefallenen Gebissen. Die eigene Kamera muss übrigens abgegeben werden. Dafür gibt es eine festinstallierte, die sehr gern von den Nachfahren der Hualapai bedient wird. Die Einnahmen kommen der Konservierung des Stammes durch hochprozentigen Alkohol zugute.
Mexiko
W er Ausgrabungsstätten mag, also eine Menge Steine, die von Flechten bewachsen sind und von fleißigen Archäologen wieder zu Säulen und Ruinen zusammengesetzt wurden, wer gerne in gemauerte Gräben schaut, in denen mal Wasser floss, und zwar vor tausend Jahren, wer gerne steinerne Gartenzwerge betrachtet, die von einem längst ausgestorbenen Volk hergestellt wurden, wer einen gepflasterten Platz sehen möchte, auf dem mal Ball gespielt wurde, aber nicht mehr in den letzten fünfhundert Jahren, und wer sich schließlich angesichts von alten Altären und Opfersteinen gern vorstellt, wie sexy junge Männer und Jungfrauen hier rituell geschlachtet und zerlegt wurden, auf dass die Götter besänftigt waren – der ist genau richtig in Chichén Itzá.
Also eigentlich jeder. Und tatsächlich kommen pro Jahr zwanzig Millionen Leute hierher. Die Zahl scheint schwer vorstellbar, wenn man sie liest. Und völlig untertrieben, wenn man am Ort selbst ist. Voller kann es nicht mehr werden. Nirgends. Nie. Oder doch: 2012, wenn am 21. Dezember die Welt untergeht. So prophezeit es bekanntlich der Kalender des geistig extrem hochstehenden Volkes, das hier einst gelebt, geschlachtet und gemordet hat, das Volk der Maya.
Wer also am 21. Dezember 2012 hier in Chichén Itzá steht oder sitzt oder liegt oder gerade plattgesessen oder zertrampelt wird, so lautet die Prophezeiung, der wird überleben. Natürlich nicht an diesem Ort selbst, überhaupt nicht in dieser Welt, die geht ja unter, aber irgendwo anders, wo es schön ist, weil dort bereits ganz viele tolle Maya leben und auch schon wieder eine Tempelstadt errichtet haben und dem Kriegsgott in einer Pyramide huldigen und Opferrituale feiern, um alsbald in die nächsthöhere Welt aufzusteigen. Und so weiter.
Leider ist der Maya-Kalender ein wenig kryptisch und lediglich für Esoteriker einfach zu deuten. Experten tun sich schwerer mit dem Entziffern, speziell der Zahlen. Es kann auch sein, heißt es neuerdings, dass die Welt erst am 12. Dezember 2102 untergeht oder sogar erst 2210. Das wäre schade. Aber die Reihenfolge der Ziffern bleibt ein Problem. Vielleicht ist die Welt auch schon vor längerer Zeit untergegangen und nur noch virtuell existent. Die Welt der Maya jedenfalls ist versunken, und, wie ein
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