Alle Orte, die man knicken kann
davon gewusst hätten, wären sie womöglich geblieben.
So wird man lästige Mitreisende los
Besonders anstrengend sind Mitreisende, die alles so ursprünglich wie möglich erleben wollen. Sie wettern gegen die Seilbahn, die von Aguas Calientes zum Machu Picchu hinaufgebaut werden soll. Da haken wir ein. Ja, Seilbahn ist ganz schlecht. Aber es ist auch nicht schön, mit dem Bus die Serpentinen zum Eingang der Anlage hinaufzufahren. «Die Inka sind auch selten Bus gefahren», erklären wir unserem authentischen Nachbarn. «Sie sind die acht Kilometer hinaufgewandert. Das soll ein ganz eigenes wunderschönes Erlebnis sein. Ich bin nur zu schwach dazu.» Das lässt sich der Ursprünglichkeitsfan nicht zweimal sagen.
Sogenannte indigene (vornehmlich für «eingeborene») Völker ziehen Mystiker an. Besonders alternde Esoteriker hoffen, von den geheimnisvollen Kraftströmen in Sonnen- und Mondtempeln zu profitieren. Zum Glück wissen wir genau, wie das geht. Tante Friederike schwärmt vom verborgenen Wissen der Indianer? Bitte sehr: «Nach dem Glauben der Inka lebt lange und glücklich, wer alle Stufen der Machu-Picchu-Zitadelle einmal abgeschritten hat. Los! Wir treffen uns am Ende wieder hier!» Das kann Stunden dauern. Dreitausend Stufen unterschiedlicher Höhe fördern obendrein nachhaltige Verstauchung und Aduktorenzerrung. Das war schon bei den Inka so.
Fotografen auf der Suche nach der besten Perspektive sind Spaßbremsen. Doch Sonnengott Inti sei Dank: Wir wissen, wo die besten Aufnahmen gelingen. «Den schönsten Blick hat man vom Huayna Picchu», erzählen wir. Das ist der zuckerhutförmige Berg hinter der Anlage. Der Aufstieg ist möglich, aber beschwerlich. «Andere schwören auf den Blick vom Putucusi.» Das ist der schmale hohe Felsen gegenüber. Er ist über einen Weg mit Holzleitern zu erreichen und bietet tatsächlich einen großartigen Überblick.«Aber mir fehlt der Mumm», fügen wir hinzu, damit unser Fotograf im Gefühl besonderer Verwegenheit allein aufbricht.
Echtheitsfanatiker, die bereits in Cuzco unangenehm auffallen, weisen wir auf den absolut authentischen Weg hin: auf den Inka-Pfad (
Camino Inca
), der als einziger durch das total ursprüngliche Sonnentor führt. Den längsten Teil der Strecke müssen die Wanderer neben der Bahnlinie hergehen oder von Schwelle zu Schwelle hüpfen. Das verraten wir besser nicht. Dass die Siebzig-Kilometer-Tour vier Tage dauert, braucht auch nicht an die große Glocke gehängt zu werden. Wir trinken unterdessen unseren Pisco Sour und sättigen uns am Buffet des Hotels Machu Picchu Sanctuary Lodge am Eingang des Inka-Bezirkes.
Typisch Machu Picchu
Gerüche. Den wenigsten Touristen wird erzählt, dass es in der gesamten Anlage keine Toiletten gibt. Jedenfalls keine offiziellen. Die inoffiziellen hingegen sind überall, wo eine Mauer ein bisschen Sichtschutz gewährt. Bei Wärme liegt über den Ruinen deshalb ein subtiler biologischer Duft. Viele Touristen entdecken erst nach der Rückkehr beim Betrachten ihrer Videos, dass sie ungewollt etliche hockende oder in eine Ecke sich drückende Leidensgenossen aufgenommen haben.
Moskitos. Auch davor hat niemand gewarnt. Erst beim Anblick des dick eingemummelten Führers schöpfen argwöhnische Besucher Verdacht. Erst recht, wenn er sich Handschuhe überstreift. In der Höhenluft hat sich eine verblüffend hartnäckige Gattung von Moskitos durchgesetzt. Sie gedeihen im Nebelwald und fühlen sich von den aufbauenden Kräften im Blut der Touristen angezogen.Sie nutzen jeden Flecken unbedeckter Haut. Die roten Punkte bleiben etliche Tage, die übertragenen Bakterien mitunter viele Jahre.
Steinewerfer. Wer in Zug und Bus unterwegs ist, ist einigermaßen geschützt. Backpacker hingegen, Mountainbiker und alle, die das Land möglichst naturnah erkunden möchten, tragen höchstwahrscheinlich Blessuren davon. Kinder und Halbwüchsige werfen in einsamen Gegenden rund um Machu Picchu bevorzugt mit Steinen auf ausländisch wirkende Wanderer. An Serpentinenwegen treten sie gern einen kleinen Erdrutsch los. Das ist echt und authentisch. Die Nachfahren der Inka haben sich ihren ursprünglichen Fremdenhass unverfälscht bewahrt.
Unverdauliche Landesspezialitäten
Die ehemalige Arme-Leute-Speise
Causa rellena
wird arglosen Touristen als Spezialität aufgenötigt. Gestampfte Süßkartoffeln sind wie Lasagne mit Fisch oder Hähnchen geschichtet, deren Aroma zuweilen ebenfalls ins Süße übergeht. Um den
Hautgoût
zu
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