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Alle Orte, die man knicken kann

Alle Orte, die man knicken kann

Titel: Alle Orte, die man knicken kann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Bittrich
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durch die Behörden in private Hände verteilt worden. Neue sind beantragt.
    Bikaner.  Ein weiterer festungsartiger Palast in wüster Umgebung, dreihundert Kilometer von Jodhpur nach Norden, und abermals Tempel und schon wieder Sonderangebote für Kamelritte. Teilnehmerorganisierter Reisen erleben den aus gelblichem Marmor errichteten Palast Junagarh Fort als einziges Déjà-vu und werden von dem unheimlichen Verdacht beschlichen, all die Wandmalereien und Lackdöschen und zersprungenen Spiegel und gläsernen Intarsien seien Teil einer großangelegten Beschäftigungstherapie. Dieser Eindruck ist genau richtig. Zur Betäubung wird im Hotel unter dem Tresen Alkohol hervorgeholt, der in Indien offiziell verboten ist. Außerdem gibt es offiziell erlaubte, aber von der WHO zum Verbot empfohlene Süßigkeiten, bei deren Herstellung Hartgesottene zuschauen dürfen: Kondensmilch wird mit Zucker verrührt und so lange gekocht, bis der Wasseranteil verdampft ist. Dann werden Mandeln, Safran und Kardamom zugemischt, noch einmal in Zucker erstickt und fadenziehend durchgerührt. Das Ergebnis nennt sich Barfi. 40   Millionen indische Diabetiker können nicht irren.
    Pushkar.  Unerlässlicher Heilungsort für spirituell Interessierte. Der Pushkarsee gilt als heilig, seit vor zweitausend Jahren ein Gott darin badete. Sündige Hindus pilgern seitdem hierher, um barfuß die Stufen («Ghats») in den See hinabzusteigen und sich in seinem göttlichen Wasser von allen früheren und zukünftigen Untaten reinzuwaschen (dauert zehn bis fünfzehn Minuten; Männer machen den Oberkörper frei, Frauen bleiben in ihre waschfesten Saris gewickelt). Anschließend nehmen die herumschwärmenden Brahmanen gegen Spende eine Segnung vor, indem sie aus rotem Blütenstaub einen Punkt auf die Stirn des Gereinigten tupfen. Die Stadt ist so heilig, dass die Händler hier ohne Reue betrügen dürfen. Weil sie einen roten Punkt auf der Stirn haben, schadet es ihnen nichts. Bei den Kunden ist es leider anders.
    Jaipur.  Die Dreieinhalb-Millionen-Stadt ist der Tiefpunkt jeder Rundreise. Zwar trägt sie den Beinamen «Pink City», seit ihre Fassaden zum Besuch des farbenblinden Gatten der Queen Victoriain einem dreckigen Schweinerosa gestrichen wurden. Es gibt auch eine befestigte Altstadt und einen maroden Stadtpalast (Sawai Man Singh) mit einem betagten Observatorium (Jantar Mantar), in dem eine Sonnenuhr zu bestaunen ist. Obendrein gibt es den berüchtigten Palast der Winde (Hawa Mahal), der einerseits so heißt, weil der Maharadscha sich bezüglich seiner Verdauung keinerlei Hemmungen auferlegte, andererseits aber, weil er die Räume für die anwesenden Damen so konstruieren ließ, dass eine ständige Zirkulation für sanftes Fächeln sorgte. So gehörte er zu den wenigen Maharadschas, die man auch nach einem schwerverdaulichen Essen besuchen konnte. Jaipur ist jedoch vor allem ein stickiger Slum und doch zugleich ein Touristensammelpunkt. Von hier aus gehen Rundreisen in alle Richtungen. Deshalb ist es auch die Stadt der Schlepper, Nepper und Schwindler. Überall warten unauffällige Gestalten, die den vorbeispazierenden Besucher am Ärmel zupfen, um ihn in Manufakturen, Schmuckgeschäfte, Töpfereien, Knüpfereien zu zerren und in Souvenirshops, bei Miniaturenmalern und Elfenbeinschnitzern unterzubringen. Reisende bekommen hier aus psychischen und physischen Gründen Durchfall.
    Amber.  Amber oder Amer war die Hauptstadt, bevor Jaipur gegründet wurde, elf Kilometer entfernt und fünfhundert Jahre älter. Das Amer Fort ist der trutzige Palast, der die Stadt überragt. Also noch ein Palast mit Tempelchen, Prachträumen, Mosaiken, Wandmalereien, Spiegelscherben und Juwelierwaren. Muss es sein? Es muss sein. Der in Resignation verfallene Reisende wird auf den Rücken eines Elefanten gehievt und bergauf geschaukelt. Alle müssen mitmachen. Die Elefanten warten hier wie anderswo Ponys oder Rikschas in einer langen geduldigen Schlange, um dann unter Leitung ihres Treibers die zahlende Last zum staubigen Fort zu bringen. Wer eine Elefanten-Allergie vorschützt, wirdauf eines der sichelohrigen Pferde gehoben («Marwaris») und zur Freude der zahlreichen einheimischen Zuschauer wie ein Plumpsack emporgeschoben.
    Taj Mahal.  Vom berühmtesten Bauwerk Indiens kursieren im Web mehr als elf Millionen Fotos. Sie wurden hochgeladen von zehn Millionen verschiedenen Hobbyfotografen und ähneln einander doch wie Kopien. Das liegt daran, dass das Gebäude nur von ein

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