Alle Rache Will Ewigkeit
Herbstsemester 1992 ein.‹ Und das war’s. Nach all dem Auf und Ab der Gefühle, all dem Schmerz und der Mühe endet es damit, dass die Mutter sich davonmacht. Kein Wunder, dass Jay Probleme hat«, sagte Charlie.
»Ein ziemlich abruptes Ende.«
»Ich glaube, das ist Absicht. Sie will vermitteln, wie trostlos das für sie gewesen war. Sie läuft glücklich hüpfend nach Hause und denkt, nach all dem Elend steht eine Wende bevor. Und die kommt auch. Nur ist es genau das Gegenteil von dem, was sie erwartet hatte.«
Maria fuhr langsamer, als sie sich einem Kreisverkehr näherten. »Da kommt Glasgow«, sagte sie. »Willst du jetzt ans Steuer? Ich bin ziemlich müde, ehrlich gesagt.«
»Klar. Halte doch bei der nächsten Gelegenheit an, wo wir eine Tasse Kaffee trinken können.«
»Nach dem, was du gelesen hast, neigst du da also jetzt mehr oder weniger dazu zu glauben, dass Jay Stewart eine kaltblütige Mörderin sein könnte?«
Charlie lachte leise vor sich hin. »Ich wollte, es wäre so einfach. Aber ich denke wirklich, dass dies ein Schlüsselerlebnis war, das ihr zukünftiges Handeln geprägt hat. Wahrscheinlich täte sie so ziemlich alles, um eine Situation zu vermeiden, in der jemand die Macht hat, das zu vereiteln, was sie sich wünscht. Im Geschäftsleben, in der Liebe, in Freundschaften. Aber die andere Seite der Medaille ist, dass sie ein tiefes Verlangen hat. In ihren frühen Jahren herrschte Chaos und Reglementierung. Die einzige Konstante war ihre Mutter. Obwohl sie eine ziemlich miserable Mutter war, wusste Jay, sie konnte sich darauf verlassen, dass sie da war. Und sie braucht immer noch jemanden, in den sie dieses Vertrauen setzen kann. Im Moment, vermute ich, setzt sie es in Magda.«
»Es wäre also wirklich schlimm, sich zwischen sie und Magda zu drängen?«
Charlie nickte. »Das Problem ist, ich glaube, genau das werde ich tun müssen.«
8
Montag
J ay fegte in bester Laune durch das Büro. Am Tisch ihrer Sekretärin blieb sie stehen und bot ihr ihr schönstes Montagmorgenlächeln. »Anne, du musst mir eine Firma suchen, die Magdas persönliche Sachen in ihrer Wohnung zusammenpackt«, sagte sie.
»Gratuliere«, antwortete Anne mit einem leicht ironischen Lächeln. »Gut zu sehen, dass du deine beredte Überzeugungskraft nicht verloren hast.«
»Danke. Je eher, desto besser. Und kannst du ein paar Sachen über Tromsø für mich recherchieren? Letztes Jahr sind wir wegen der Dokumentation über das Nordlicht überrascht worden. Sie wird offenbar in zwei Wochen wiederholt; ich will nicht, dass wir wieder in der letzten Minute herumsuchen müssen.« Jay blieb bei der Kaffeemaschine stehen und machte sich einen Milchkaffee. Dabei drehte sie sich um und sprach laut genug, dass das halbe Dutzend Leute, das anwesend war, aufmerksam wurde. »Montagsmeeting um zwölf, ich hab einen Raum bei Chung’s gebucht.«
Jay ging in ihr eigenes Büro weiter und schloss die Tür hinter sich, ein Zeichen, dass sie nicht zu sprechen sei außer in wirklich dringenden Angelegenheiten.
Sie setzte sich hinter ihren Schreibtisch, lehnte sich auf dem Stuhl zurück und legte die Füße auf den Papierkorb. Sie war sehr zufrieden mit sich. Magda hatte endlich zugestimmt, es sei an der Zeit, ihre Entscheidung in die Tat umzusetzen und mit Jay zusammenzuziehen. Jays Haus war mehr als groß genug für sie beide, es war also am vernünftigsten, Magdas Wohnung zu vermieten. Das bedeutete, dass sie einen längeren Weg zur Arbeit hatte als ihren jetzigen kurzen Gang zu Fuß, aber anscheinend war das ein Preis, den zu zahlen sie bereit war.
Der Gedanke an Henrys wutschäumende Reaktion rief bei Jay ein schlaues Lächeln hervor. Früher oder später würde es zu einem Waffenstillstand im Lager der Familie Newsam kommen müssen. Aber der Gedanke, dass Corinna und Henry inzwischen unter nagendem Groll leiden würden, behagte ihr durchaus.
Sie holte den Computer aus seinem Tiefschlaf, aber bevor sie nach E-Mails schauen konnte, klingelte ihr iPhone. Sie erkannte die Nummer, stieß einen kurzen scharfen Seufzer aus, nahm aber trotzdem ab. »Hallo«, sagte sie.
»Grüß dich. Noch verliebt?« Die Stimme klang ironisch.
»Selbst wenn ich es nicht wäre – du weißt ja, wie das ist. Es würde keinen Unterschied machen. Was kann ich für dich tun?«
»Es geht darum, was ich für dich tun kann.«
Jay verspürte ein vertrautes flaues Gefühl. »Ich habe es dir doch gesagt. Du schuldest mir nichts.«
»Das weiß ich. Aber wenn
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